„Runter von der Matte“ im Antifaschistischen Infoblatt (AIB)

In der 115. Ausgabe (2/2017) des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) wurde die Kampagne „Runter von der Matte“ vorgestellt.

Kampagne: „Runter von der Matte. Kein Handshake mit Nazis“

Neonazis sind im Kampf- und Kraftsport immer häufiger anzutreffen. Durch eine Fülle an rechten Klamotten-Labels wird die Szene zudem mit eigenen Codes und Designs ausgestattet.

Angefangen bei der von rechten Hooligans stark beeinflussten Freefight-Szene, über vereinzelte Teilnahmen von Neonazis an kommerziellen Wettkämpfen, der Gründung eigenständiger rechts-offener Vereine bis hin zur Vermarktung des Life­styles durch Kleidungsmarken wie „Label 23“. All das waren die Vorboten und Wegbereiter einer Szene, die heute europaweit vernetzt ist, eigene Kampfsport-Events organisiert, Sportgruppen fördert und Seminare und Kurse gibt.

Neonazis wurden zu lange hofiert und toleriert. Klare Positionierungen und Distan­zierungen fand man im Kampfsport-Mainstream nur bei wenigen couragierten Organisator_innen und Gyms. Selbst wenn Neonazis als solche klar erkennbar sind, wie etwa der Hamburger MMA-Kämpfer Frank Kortz [1], zählt für einige große Veranstalter_innen letztlich der Wettkampf und dessen Vermarktung. Wenn dann noch aufstrebende Kampfsport-Formate den rechten Kämpfern eine mediale Plattform bieten, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. [2]

Ohnehin gesellschaftlich nur partiell akzeptierte Sportarten wie MMA (Mixed Martial Arts) geraten dadurch weiter in die verruchte Ecke und wecken zudem zusätzliches Interesse von rechts.

Hinsehen

Besonders in den letzten zehn Jahren treten Neonazis vermehrt innerhalb der MMA-, Kickbox- und Weightlifting-Szene auf. Nicht, dass sie je weg gewesen wären, doch durch den Image-Wandel, den Teile der rechte Szene [3] in diesen Jahren durchliefen, ist eine Präsenz stärker spürbar.

Wegen der martialischen Auslebung und Wirkung sind vor allem die Kampfsportarten im Vollkontakt prädestiniert, von Neonazis aufgegriffen zu werden. Dabei ist nicht nur das entstehende Bild von Stärke und Wehrhaftigkeit Grund für diese Attraktion seitens der Neonazis, sondern auch der Gesundheits- und Körperkult, der im Sport ausgelebt werden kann. So gehört u.a. Veganismus und körperliche Fitness in der sogenannten NS-Hardcore-­Szene schon lange zum guten Ton.

Die Losung „gesunder Geist im gesunden Körper“, welche schon im historischen Nationalsozialismus verklärt wurde, um „körperlich schwache Menschen“ zu selektieren, lässt sich erneut in der rechten Szene finden. Ähnlich wie im „Dritten Reich“ stellt man Bezüge zu völkisch-rassistischen Vorstellungen von Körper, Gesundheit und Gemeinschaft her. Besonders die Gemeinschaft und der Gemeinschaftsgedanke — trotz dessen, dass MMA und Kickboxen als Individualsportarten gelten — sind wichtig, um ein geschlossenes Auftreten im Gym und auf Veranstaltungen vermitteln zu können.

Eigene Labels tragen dabei nicht unwesentlich zu einer Bildung von Gemeinschaft bei. Mit Slogans wie „Might is Right“ (dt. „Macht geht vor Recht“), „Stärke durch Disziplin“ oder „no fight, no glory“ (dt. „Ohne Kampf kein Ruhm“) wird auf den Klamotten eine Ästhetik geboten, die den einher gehenden elitären Habitus bestärkt.

Ansprechen

Unsere Kampagne „Runter von der Matte — Kein Handshake mit Nazis“ soll aufklären und Hilfestellung für mögliche Interventionen leisten. Sie soll ein Angebot an alle Trainer_innen, Gyms und Sportler_innen sein, sich ohne viele Vorkenntnisse über die extrem rechte Szene und ihre Labels im Kampf- und Kraftsport zu informieren. Denn ganz oft fehlt den Sportbegeisterten lediglich der Ansatz.

Sicherlich sollten 2017 Hakenkreuz-Täto­wierungen oder Kleidungsstücke der Marke „Thor Steinar“ den meisten ein Begriff sein, doch das Thema ist in der Breite viel subtiler und vielschichtiger. Zum einen kann die Neonazi-Szene auf rund zwanzig bekannte, eigene und szene-nahe Marken blicken, deren Logos und Designs explizit an die Kampf- und Kraftsportszene anknüpfen. Zum anderen haben sich Neonazis im Sport einen „Namen“ machen können und sind dadurch gefragte Leute. Nicht jeder und jede trägt die Gesinnung offen zur Schau, aber die meisten haben eine einschlägige Historie bzw. Verbindung in die Szene.

Wir wollen mit unserer Kampagne einen Zugang zu diesen Informationen ermöglichen. Wir wollen das Thema endlich ansprechen, wollen informieren und intervenieren.
Da wir selbst aktiv Kampf- und Kraft­sport betreiben, ist die Kampagne selbstverständlich auch ein persönliches Bedürfnis. Vor allem in den kleinen Städten haben Antifaschist_innen oft keine eigenen Räume oder Vereine. Wenn dann die Trainingspartner_innen zusätzlich noch der rechten Szene zugeordnet werden können, vergeht schnell der Spaß am Training.

Unser Ziel ist es, Argumentationshilfen für Gym- Betreiber_innen und Trainer_innen zu bieten, um den Neonazis diese Räume zu nehmen. Der „Wettkampf“ hört bei uns bei der Teilnahme von Neonazis und deren Sympathisant_innen auf. Den Handshake — ein symbolisches Abklatschen für einen fairen, sportlichen, respektvollen Umgang und Austausch mitein­ander — wollen wir keinem Neonazi beim Training oder auf irgendwelchen Kampf­sportveranstaltungen anbieten. Sie mögen sich vielleicht im Ring oder im Gym sportlich fair verhalten, doch die Ideologie der extremen Rechten war schon immer an Macht und Gewaltausübung zum Erreichen politischer Ziele angeknüpft. Ein angeleitetes Training in einem regulären Gym fördert diesen Kampfethos und schafft neue Möglichkeiten für körperliche Auseinandersetzungen. [4]

Sport kann zwar Ventil sein, Aggressio­nen abbauen und integrativ wirken, aber, dass organisierte Neonazis ohne konkrete Absicht auf Ausstieg durch Kampf- und Kraftsport zu besseren Menschen werden, muss doch stark angezweifelt werden. Anstelle dessen tritt eher eine Verharmlosung und Akzeptanz seitens der Trainingspartner_innen ein, denn wenn Neonazis für ihr Gym im Ring stehen, stärkt dies den Team-Geist und schafft Vertrauen sowie persönliche Bindung.

In Hinblick auf Neonazi-Labels, die Wettkampfsport und rechte Inhalte miteinander verbinden, darf auch nicht vergessen werden, dass die Duldung dieser eine stille Akzeptanz von Neonazis im Sport schafft. Dadurch öffnet man ihnen die Möglichkeit sich auf dem Markt zu etablieren und Gelder aus der Vermarktung in eigene Turniere und Veranstaltungen fließen zu lassen.

Einmischen

Unsere Kampagne wird mit der Veröffentlichung eines Plakates starten, das sich visuell wie auch inhaltlich mit neun Klamotten-Marken auseinandersetzt, die aus der Neonazi-Szene stammen und mit ihren Designs explizit auf die Kampf- und Kraft­sportszene zielen. Mit Bildern und Erklärungen wollen wir eine Argumentationshilfe geben, um Neonazis aus dem Gym, aus dem Publikum oder aus dem Ring werfen zu können. Ein zeitgleich zum Plakat erscheinender Blog wird sich ferner mit den abgebildeten Marken — sowie zehn weiteren — im Detail befassen. Der Blog soll in Zukunft aber auch Informationen zu Kampf- und Kraftsport-Events bereitstellen, die entweder aus der extrem rechten Szene organisiert werden oder an denen sich Neonazis im einzelnen beteiligen. Ein Pressearchiv wird zudem diverse Hintergrund-Artikel zum Thema einspeisen.

Wir hoffen natürlich auf eine positive Resonanz innerhalb antifaschistischer Zusammenhänge im Kampfsport und würden uns sehr wünschen, wenn die Kampagne auch in nicht explizit politisch geprägten Gyms Anklang findet. Nutzt das Logo [5] für Veranstaltungen, verbreitet die Plakate, damit es bald mehr sportbegeisterte Menschen gibt die da sagen: Runter von der Matte! Kein Handshake mit Nazis!

Mehr Informationen: runtervondermatte.noblogs.org

 

1. Vgl. AIB Nr. 110 „Neonazis im Rotlichtmilieu“

2. So wurde Frank Kortz im Nachgang eines Kampfes in 2015 vom „Ground & Pound TV“ auf seine „alt-indischen Glückssymbole“ (sic!) angesprochen – seine tätowierten Hakenkreuze – worauf er antwortete, er mache keine Politik im Ring, da er seine Tätowierungen ja nicht offen zur Schau stelle.

3. Weg vom Bild des stumpfen Neonazi-Skinheads, hin zum Ideal des „smarten“, wehrhaften Kämpfers

4. Dies wird u.a. am Beispiel des Neonazi-Angriffes auf den alternativen Stadtteil Connewitz 2016 in Leipzig deutlich, bei dem ein nicht unerheblicher Teil der AngreiferInnen aktiv Kampfsport betreibt.

5. Zu finden auf der Kampagnen Homepage.