Die Causa Timo Feucht und der Umgang der Veranstalter_innen
Neonazi-Kampfsportler aus Brandenburg vor Gericht
Kampfsportler und ihre Kandidatur für rechte Parteien
Financier von „White Rex“ will sich nach Outing aus dem Geschäft zurück ziehen
KdN-Teammitglied hat Zugang zu sensiblen Daten
Ringarzt des KdN muss Waffen abgeben
Österreicher Neonazi als Re-Seller von veganen Supplements
Kein Ultratrail-Marathon für Neonazis
„Nordische Wut“ und die „Wolgaster Kampfkunst-Gala“
Offener Brief an McFIT in Braunschweig bleibt bisher unbeantwortet
Lippenbekenntnisse bei der „Vogtländer Fightnight“ – Konsequenzen Fehlanzeige
Kommerzialisierung im Hooliganismus – Rückgriff auf Kampfsportler
Die Causa Timo Feucht und der Umgang der Veranstalter_innen
Im April 2019 wiesen u.a. wir darauf hin, dass der rechte Kampfsportler Timo Feucht aus Leipzig bei „Nova FC“ einen MMA-Kampf bestreiten soll und forderten, ihn auf Grund seiner rechten Aktivitäten in der Vergangenheit und seinen Verbindung in die rechte Kampfsportszene auszuladen. Nach großem öffentlichen Druck wurde der Kampf schlussendlich abgesagt – offiziell jedoch nicht nicht politisch begründet, sondern aus vermeintlichen Vertragsgründen. Statt einer Positionierung der Veranstalter_innen gegen die Teilnahme von Personen aus der rechten Szene als Kämpfer, veröffentlichte „Nova FC“ stattdessen „schweren Herzens“ am 10. April die Nachricht, dass Feucht aufgrund von Vertragsklauseln mit seiner Stammliga „Brave Combat Federation“ nicht antreten könne.
Dieser (Nicht-)Umgang führte auch dazu, dass Feuchts Image als MMA-Sportler nur wenig Schaden nahm. Das MMA-Nachrichtenformat „Ground and Pound“ feierte Feuchts Comeback im vergangenen Juni nach seinem Sieg bei der „Zaragoza Fightnight“ in Spanien. Kein Wort darüber, dass er zuvor aufgrund des öffentlichen Drucks wegen seiner rechtspolitischen Vita aus einer Kampfsportveranstaltung ausgeschlossen wurde. Warum auch – offiziell wurde er ja auch aus Vertragsgründen ausgeschlossen. Und das ist das Problem: Wenn offiziell keine Haltung bezogen wird. Ein Neonazi kann weiterhin auf namhaften Kampfsportevents kämpfen, ohne sich mit seiner rechten, menschenverachtenden Meinung konfrontieren lassen zu müssen. Auch, dass er seine Kompetenzen aus dem Gym auch auf die Straße übertragen hatte, scheint längst vergessen. Schließlich war er Teil eines Mobs aus Neonazis und rechten Hooligans, die im Januar 2016 organisiert den Leipziger Stadtteil Connewitz überfielen. Ein Angriff auf das, was nicht in ihr Weltbild passt. Aktuelle laufen diesbezüglich Prozesse. Eine erste Verhandlung gegen Timo Feucht endete am 20. August 2019 ergebnislos.
Es ist bemerkenswert, dass Feucht aktuell anscheinend darauf bedacht ist, wenige offensichtliche Bezüge zum „Imperium Fighting Team“ um Benjamin Brinsa herzustellen. Zumindest in den sozialen Netzwerken fehlen diese seit dem Eklat bei „Nova FC“. Dies kann als strategische Entwicklung betrachtet werden, etwa, um nicht in Brinsas Fußstapfen als „gescholtener MMA-Kämpfer“, der von der UFC wegen seiner extrem rechten Aktivitäten ausgeschlossen wurde, zu treten. Mittlerweile tritt Feucht für das „Allstars Trainingscenter“ aus Schweden in den Cage und begründet seinen Wechsel im Juni wie folgt:
„(…) Da ich meine sportliche Zukunft, auf Grund des eher unwichtigen MMA Sports hierzulande, schon lange nicht mehr in Deutschland sehe, bin ich umso glücklicher durch gute Leistung im Training aber auch durch mein offenes und freundlichen Verhalten ein Teil des Allstars Team geworden zu sein (…)“.
Und damit konnte er sich aufgrund der fehlenden öffentlichen Stellungnahme, auch seitens „Nova FC“, jeglicher Diskussionen und Positionierungen bezüglich seiner rechten Umtriebe entziehen. Was bleibt ist höchstens ein bitterer Beigeschmack.
Neonazi-Kampfsportler aus Brandenburg vor Gericht
Im Juli 2019 begannen die Verhandlungen vor dem Cottbuser Amtsgericht gegen den Neonazi und Kampfsportler Thomas Andy Schotte wegen gefährlicher Körperverletzung. Er soll im Dezember 2016 in Spremberg einen afghanischen Staatsbürger angegriffen haben, wobei der Betroffene einen Kieferbruch erlitt.
Schotte ist im Sicherheits-Gewerbe tätig und zählt zum Team der rechten Kampfsportmarke „Black Legion“ aus Südbrandenburg.
Plakate extrem rechter Kampfsport-Events zieren Andy Schotte in Kämpferpose – etwa auf dem des „Kampf der Nibelungen“ 2017 oder dem des „Tiwaz“ 2018. Auf letztem ist er mit der „Kampfgemeinschaft Cottbus“ abgebildet – neben dem Neonazi, Inhaber einer Security-Firma und Boxer Ronny Schröder, wie auch dem ehemaligen Vorsänger des rechten Ultra-Gruppe „Inferno Cottbus“, William „Willi“ Puder.
Zuletzt kämpfte Schotte beim „Kampf der Nibelungen“ im Oktober 2018 und war auch für die Wettkampfvorbereitung eines Kämpfers des KdN-Teams – Marvin Esterholz – für das Neonazi-Turnier „Pro Patria Fest“ in Griechenland im April 2019 verantwortlich.
Wann die Verhandlung gegen Schotte fortgesetzt wird, ist bisher unklar. Wir hoffen auf eine mediale Begleitung und Unterstützung für die Betroffenen vor Ort.
Kampfsportler und ihre Kandidatur für rechte Parteien
Dass bekannte rechte Kampfsportler den Wahlkampf von AfD und Co. unterstützen oder sogar für rechte Parteien kandidieren, ist nicht länger sensationell. Schließlich wurde im Zuge der Kommunalwahl in Sachsen im Mai 2019 der rechte Hooligan und MMA-Kämpfer Benjamin Brinsa in den Stadtrat von Wurzen gewählt. „Herr Stadtrat Brinsa“ bekam 359 Stimmen und besetzt nun einen von drei Sitzen für die rechte Partei „Neues Forum für Wurzen“. Brinsa, der als Aushängeschild für das von Neonazis dominierte „Imperium Fight Team“ gilt, soll seit Mai 2019 zudem Zugriff auf ein rund 16.000 Quadratmeter großes Gelände in Wurzen haben. Wie genau die Besitzverhältnisse sind, ist unklar. Fest steht, dass das Gelände allerlei Möglichkeiten bietet, um etwa ein Fitnessstudio oder ein Gym zu eröffnen. Eine erste sichtbare Aktivität konnte im August 2019 festgestellt werden, als in dem ehemaligen Club „Puls“ – der sich auch auf dem erworbenen Gelände befindet – ein RechtsRock-Konzert mit der Band „Kategorie C“ stattfand. Ein kursierendes Foto des Konzerts zeigt Benjamin Brinsa bei einer Ansprache auf der Bühne.
Auch bei der AfD findet man KandidatInnen, die aus dem Kampf-und Kraftsportbereich stammen. Das Hervorheben des Images des Kampfsportlers scheint in diesem Zusammenhang passend mit der Sprache der AfD zu sein, die über viele Angriffs- und Kampfbegriffe in ihrem Vokabular verfügt. So sind dann plötzlich AfD-Wahlplakate aussagekräftig genug, wenn sich auf diesen etwa die Cottbuser Kandidatin Marianne Spring-Räumschüssel in schlechter Boxpose und Boxhandschuhe abbilden lässt – ohne Werbeslogan.
Mit dem Image des Kampfsportlers kokettiert auch AfD-Parteifunktionär Marco Schulze. Der ehemalige Profiboxer, auch unter dem Namen „Schulle“ bekannt, kämpfte von 2002 bis 2013 unter namhaften Verbänden wie IBF und WBO, und vertritt nun die AfD im Brandenburger Ortsverband Velten.
Im November 2018 überlegte er für die AfD zu kandidieren. Damals sagte er, er müsse sich rein arbeiten: „Ich habe noch keine Ahnung, was es für Ausschüsse, für Aufgabenbereiche oder Möglichkeiten gibt. Da muss ich mich rein fummeln.“ Mit diesen eher weniger schlagkräftigen Argumenten in die Politik zu gehen, dürfte für die AfD sicher kein Problem sein. So stehe der Landtagsabgeordnete und Parteikollege Andreas Galau hinter ihm und sagt über Schulze, dass dieser sich als „absolut wertvoller Mitstreiter herausgestellt“ habe.
Wenig verwunderlich, da sich durch das sehr präsente Boxer-Image sicherlich mehr potentielle Wähler_innen zu einer der Wahlkampfveranstaltungen locken ließen. Die AfD-Politikerin Birgit Bessin warb schließlich auf ihrer Wahlkampftour mit einem exklusiven Treffen mit dem Ex-Boxweltmeister.
Auch im sächsischen Zwickau sitzt seit den Kommunalwahlen im Mai 2019 ein bekannter Sportler im Kreistag: Mario Hoffmann. Er ist nicht nur Bodybuilder und Personalcoach, sondern war bis Herbst letzten Jahres einer der Geschäftsführer des Klamotten-Labels „Brachial„, auf deren rechten Hintergrund wir schon 2017 hinwiesen. Hoffmann unterhält bis heute freundschaftliche Beziehungen in die organisierte Neonaziszene Westsachsens. Sein Parteikollege im Kreistag ist Alexander Schwarz, der noch vor wenigen Jahr in der RechtsRock-Band „White Resistance“ spielte, wie in der aktuellen Ausgabe des „Antifaschistischen Infoblatts“ beschrieben wird.
Financier von „White Rex“ will sich nach Outing aus dem Geschäft zurück ziehen
Außer ein paar Wenige, können Neonazis von ihren Geschäft in der rechten Kampfsportszene nicht leben. Demnach bestreiten die Meisten eine bürgerliche Existenz, in der oftmals versucht wird, die Aktivitäten in der Neonazi-Szene zu verstecken.
Ein solches Doppelleben führte auch der Schweizer Peter Patrik Roth. Er ist Geschäftsführer des renommierten Matratzenherstellers „Roviva“. Recherchen Schweizer Journalist_innen ergaben allerdings auch, dass Roth Hauptfinancier der „Fighttex AG“ war, die 2017 die Vertriebsstrukturen der russischen Neonazi-Marke „White Rex“ in Westeuropa übernahm. Roth wird – wie der Inhaber der „Fighttex AG“ Florian Gerber – den Schweizer „Hammerskins“ zugerechnet und war nicht nur regelmäßig geschäftlich in Russland tätig, sondern nahm auch an Treffen mit dem Gründer von „White Rex“, Denis „Nikitin“ Kapustin, in der Schweiz teil.
Was folgte war ein enormes mediales Echo. Roth äußerte sich zu den Vorwürfen jedoch nicht, sondern ließ sich lediglich von einem in Neonazi-Kreisen beliebten Anwalt im Fernsehen zitieren. Auch trat er aus dem Vorstand des Wirtschaftsverbandes Oberaargau zurück und kündigte an, sein Kapital aus der „Fighttex AG“ abzuziehen. Auch der bekannte Kranzschwinger Curdin Orlik zog aus den rechten Umtrieben des Geschäftsführers von „Roviva“ Konsequenzen. Der Sportler wolle zeitnah den Sponsoren-Vertrag mit der Firma kündigen. „Ich verurteile jegliches rechtsextremes Gedankengut und auch die Zurschaustellung von solchen Symbolen“, erläuterte er der Schweizer Presse. Ein wichtiges Signal aus dem Breitensport welches wir uns von Vertreter_innen dieser Gemeinschaft viel häufiger wünschen würden. Denn auch so kann man Neonazis ihre finanziellen Mittel entziehen und deutlich machen, dass extrem rechte Ideologie nichts innerhalb der Zivilgesellschaft verloren hat.
KdN-Teammitglied hat Zugang zu sensiblen Daten
Anfang September 2019 hatten Antifaschist_innen offen gelegt, dass Marina Liszczewski am Bochumer Standort der größten deutschen Wirtschaftsauskunftei, die Schufa Holding AG, arbeitet und dadurch Zugang zu sensiblen, persönlichen Daten von Millionen von Menschen hat. Liszczweski ist nicht nur seit Jahren in der Neonazi-Szene im Ruhrpott aktiv, sondern gehört auch zum Kern-Team der Organisation des „Kampf der Nibelungen“. Die Schufa Holding AG habe aktuell eine interne Prüfung diesbezüglich eingeleitet. Darüber hinaus wolle man sich nicht dazu äußern.
Ringarzt des KdN muss Waffen abgeben
Dem Bielefelder Sportmediziner Günther Hartwig entzogen die Behörden kürzlich seine Waffenerlaubnis. Schon vor 50 Jahren sei er der Neonazi-Partei NPD beigetreten und ließ sich schon für deren Kreisverband Unna-Hamm für die Landtagswahl 2010 aufstellen. Im selben Jahr beantragte der 73-jähirge Hartwig erfolgreich eine Waffenbesitzkarte und besaß seit dem mehrere Schusswaffen. 2018 widerrief die Waffenbehörde diese Erlaubnis. Grund sei – zu Recht – seine Unzuverlässigkeit, hinsichtlich seiner politischen Aktivitäten. Dabei dürfte auch seine Betätigung als Ringarzt bei einem der Events des „Kampf der Nibelungen“ eine enorme Rolle gespielt haben. Denn es ist unlängst bekannt, dass die Events der Rekrutierung und des Austausches eines internationalen, militanten Netzwerkes dienen. Neonazis rüsten sich seit Jahrzehnten auf den sogenannten „Tag X“, den Tag des politischen Umsturzes. Kampfsport etablierte sich dabei in den letzten Jahren massiv, hin zu einem Revival des Wehrsports, wie wir ihn aus den 70er Jahren kennen. „Wehrsport 2.0“ bezeichneten wir dies schon mehrfach. Günther Hartwigs Rolle innerhalb dieses Netzwerkes – auch durch seinen Zugang zu Waffen – ist mehr als alarmierend.
Österreicher Neonazi als Re-Seller von veganen Supplements
„Sober, proud and dangerous since 2005“ – „nüchtern, stolz und gefährlich seit 2005“ – betitelte kürzlich Manuel Eder eines seiner Postings in den sozialen Netzwerken. Er ist Vordenker und Hauptinitiator der NS-Straight Edge-Gruppierung „Wardon 21“, Musiker u.a. bei der NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“ und propagiert „seinen Körper zur Waffe“ formen zu wollen. Der mehrfach verurteilte Gewalttäter wohnt aktuell wieder in seiner Heimat in Österreich im Raum Lienz und versucht sich dort in der Kraftsportszene zu etablieren. Er absolvierte schon im Juni 2019 eine Ausbildung zum Calisthenics-Coach an der FlexyFit-Academy in Wien teil und nimmt aktuell an einem Partnerprogramm des österreichischen Herstellers „veganpower“ teil. 15% Rabatt verspricht Eder beim Kauf von Produkten im Onlineshop des veganen Supplement-Vertreibs – 15% die jeder Partner von „veganpower“ laut Webseite erhält. Offensiv wirbt Eder für deren Produkte, die auch in Lienz vertrieben werden. Dort, im „Biomarkt Taschler“, ist Eder mittlerweile Stammgast und dass nicht nur, weil es dort vegane Tagesspeisen gibt.
„Mit etwas Glück triffst du den COOLEN xkailashx für deine persönliche kostenlose Beratung“, schreibt der Biomarkt auf Instagram und verlinkt dabei Manuel „xkailashx“ Eder. Seine Betätigung in der europaweit organisierten Neonazi-Szene scheint „veganpower“ und den Biomarkt nicht zu stören. Die Informationen zu seiner Person sind seit Jahren im Internet offen einsehbar und auch sein Profil in den sozialen Netzwerken spricht Bände. Stattdessen scheint sein Anbiedern an die vegane Kraftsportszene Früchte zu tragen. Seine Postings in den sozialen Netzwerken werden schließlich auch von Protagonist_innen dieser Szene geteilt.
Kein Ultratrail-Marathon für Neonazis
Wie ein konsequenter Umgang mit Neonazis im Laufsport aussehen kann, zeigten neulich die Organisator_innen des „Bleiloch Ultratrail“-Marathons. Mit einem eigens entworfenen Motiv mit dem Schriftzug „Run Down Racism“ wird auf der Webpräsenz Interessent_innen deutlich gemacht, dass Rassismus und Sport nicht vereinbar sind. Letztlich erfolgten auch direkte Interventionen. So wurde etwa Heiko Drews aus Spremberg – Anhänger der NS-Staight Edge- Gruppierung „Wardon 21“ – als Teilnehmer für den Lauf im Oktober 2019 ausgeschlossen. „Für uns ist der kleinste gemeinsame Nenner für die Veranstaltung weder Straight Edge noch Veganismus ! Uns geht es um das Miteinander und den Humanismus – beim Sport und vor allem auch daneben. Das geht unserer Meinung nach komplett konträr zu Ihren Aktivitäten außerhalb des Sports“, teilten die Veranstalter_innen Drews mit. Die Absage veröffentlichte Drews in den sozialen Netzwerken und kündigte an, in naher Zukunft einen eigenen Ultratrail organisieren zu wollen. Wir gratulieren den Veranstalter_innen zu diesem Schritt, der als eins von vielen Signalen wahrgenommen werden muss und auch anderen Eventorganisator_innen als Vorlage dienen kann.
„Nordische Wut“ und die „Wolgaster Kampfkunst-Gala“
Auch außerhalb explizit neonazistischer Kampfsportevents wie den KdN, können bekannte Personen aus der extrem Rechten kämpfen und teils auch selbst Fightevents organisieren – scheinbar ohne Widerspruch.
So soll etwa am 12. Oktober in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern) die „2. Wolgaster Kampfkunst-Gala“ ausgerichtet werden. Als OrganisatorInnen treten dabei Philipp Burmeister und Eric Bluhm auf. Beide unterhalten beste Kontakte in die Rostocker Hooliganszene um „Nordische Wut“. Mit Protagonisten dieser extrem rechten Gruppe war Bluhm mit Burmeister im Sommer 2019 in Mallorca im Urlaub. Teil der dort stattgefundenen Sauf-Gelage war auch Wolfgang Erwin Benkesser. Der in Hamburg wohnhafte Benkesser ist Teil des Organisationsteams des KdN und gehört der elitären, militanten Bruderschaft „Hammerskins“ an. Bluhm, Burmeister und Benkesser hatten sich in Mallorca nicht etwa zufällig getroffen, sondern reisten mit den Hooligans von „Nordische Wut“ in einem gemieteten Bus gemeinsam an mehrere Orte auf der Insel.
Dabei scheint so, als suchte Benkesser den Austausch mit „Nordische Wut“, möglicherweise um sie enger an die organisierte Neonazi-Szene zu binden. Der Draht zu dieser ist in Rostock bereits kurz, denn schließlich nahmen mehrfach Anhänger der „Nordischen Wut“ an Aufmärschen der AfD in der Ostseestadt teil und unterhalten auch Verbindungen zu Neonazi-Gruppen wie den „Aktionsblog/Baltik Korps“.
Dass der Ticketverkauf für die kommende Wolgaster Gala auch über den bekannten Anklamer Neonazis Enrico Arndt und seine Gaststätte „Zum Klosterbruder“ läuft, bestätigt zudem die Nähe der Veranstalter zur extremen Rechten. Es muss davon ausgegangen werden, dass das Event in Wolgast zahlreiche Personen aus der rechten Hooliganszene anlocken wird. Eine Fightcard für das Event wurde bisher nicht veröffentlicht.
Um es den Veranstaltern zu erschweren, öffentlich solche Events zu etablieren und damit Gelder zu generieren, würde es verschiedenste Handlungsoptionen geben. Der Landkreis etwa, könnte Druck ausüben, denn schließlich scheint dieser für die Hufeland-Sporthalle verantwortlich zu sein, wo das Event stattfinden soll. Auch die Sponsoren könnten sich aufgrund der Verstrickungen von Bluhm und Burmeister in die Neonazi-Szene von dem Event lösen. Denn solche Events funktionieren nur durch Unterstützung von außen.
Offener Brief an McFIT in Braunschweig bleibt bisher unbeantwortet
Im August 2019 hatte das „Bündnis gegen Rechts“ in Braunschweig einen offenen Brief veröffentlicht, der sich an die Fitnessstudio-Kette McFIT richtete und darauf hinwies dass der rechte Gewalttäter Lasse Richei in deren Räumlichkeiten in Braunschweig trainiert. Bisher gab es von Seiten der Betreiber_innen keine Reaktion auf diesen offenen Brief. Auf Anfrage einer Lokalzeitung teilte man lediglich mit, dass man den Dialog suchen wolle.
Wir finden es untragbar, dass eine Kette wie McFIT offenbar keine Probleme damit hat, Neonazis wie Richei Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Dass er seine Kompetenzen im Kraft-und Kampfsport u.a. mit seiner Gruppe „Adrenalin Braunschweig“ gegen selbsternannte Feinde auf der Straße umsetzt, ist überregional bekannt. Wir hoffen, dass McFIT zeitnah reagieren wird und unterstützen das „Bündnis gegen Rechts“ in ihrem Anliegen, Druck auf die Fitnessstudio-Kette aufzubauen und Richeis Ausschluss aus den Räumen zu erwirken.
Lippenbekenntnisse bei der „Vogtländer Fightnight“ – Konsequenzen Fehlanzeige
Ein anderes Kampfsport-Event, welches am 19. Oktober 2019 im sächsischen Plauen über die Bühne gehen soll, ist die „3. Vogtländer Fightnight“. Pro forma veröffentlichten die Veranstalter_innen ein Statement zu Respekt und Fairness im Sport. Dort heißt es: „Wir distanzieren uns von Fremdenfeindlichkeit und jeglicher Art von Gewalt außerhalb des Rings. Deshalb: Kein Zutritt sämtlicher Symbole von Motorradclubs und Rechts-oder Linksextremen Vereinigungen. Wir sind sportlich und neutral !!!“. Soweit so gut, wäre das Ganze nicht nur ein Lippenbekenntnis. Denn schließlich stehen mindestens drei bekannte Neonazis auf der Fightcard. Einen der Hauptkämpfe soll der Thüringer Theo Weiland bestreiten. Er ist Mitglied der Neonazi-Hooligangruppe „Jungsturm KEF“ aus dem Fanlager von Rot-Weiss-Erfurt. Erst im November 2018 nahm er an einer Reise der Gruppe nach Bulgarien teil und spart auch sonst nicht mit Bezügen zum „Fightclub Riot Sport Crew Rot Weiss Essen“, wie sich der Personenzusammenhang des „Jungsturm KEF“ auch nennt. Große Teile dieser rechten Gruppierung nahmen auch am diesjährigen rechten „Tiwaz“-Turnier in Zwickau teil. Einer von Weilands Trainungspartnern stand dort sogar im Ring.
Vom „Boxclub Chemnitz“ werden für das Event in Plauen hingegen gleich zwei Neonazis in den Ring geschickt. Der eine, Fabian Nebe, war schon beim „Kampf der Nibelungen“ 2017 einer der Kämpfer der „AG Körper & Geist“. Die „Arbeitsgruppe“ wurde von der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ initiiert und hat sich auf die körperliche Erziehung von Neoanzis, u.a. durch Kampfsport, spezialisiert. Nebe nahm darüber hinaus auch am „2. Tag der Gemeinschaft“ der Partei am 10. August 2019 in Zwickau teil. Bekleidet mit einem T-Shirt der Partei trat er mit weiteren Neonazis für ein Fußballspiel an.
Dennis Rohner wiederum, der als Abgesandter des „Boxclub Chemnitz“ für das Event in Plauen angekündigt wird, trägt klare Bekenntnisse zur Neonaziszene als Tattoo auf seinem Körper. „Glaube Wille Tat“ prangt in alt-deutschen Lettern großflächig über seinem Bauch. Die Schrift ist eine eins-zu-eins Kopie des Logos des Neonazi-Labels „GWT-Produktionen“ aus Mecklenburg-Vorpommern. Sucht man nach dem Begriff im Internet ist der Domain des Lables, „Glaube Wille Tat“, der erste Treffer. Viel Interpretationsspielraum bleibt da nicht, es sei denn Rohner bezieht sich dabei nicht auf das Label, sondern auf den gleichnamigen CD-Titel der RechtsRock-Band „Triumph des Willens“.
Würden die Veranstalter_innen der „Vogtländer Fightnight“ ihr Statement gegen Fremdenfeindlichkeit ernst nehmen, müssten sie die drei erwähnten Kämpfer streichen. Gewalt, gegen die sich auch außerhalb des Rings positioniert wird, ist zumindest Kernelement von Neonazis wie Fabian Nebe oder Hooligans wie Theo Weiland. „Kein Zutritt sämtlicher Symbole von (…) Rechtsextremenen Vereinigungen“, wie es außerdem in dem Statement heißt, betreffe Dennis Rohner. Mit seinem „Glaube Wille Tat“-Tattoo macht er nämlich nicht nur Werbung für ein Neonazi-Label, sondern bedient sich auch der Sprache des historischen Nationalsozialismus.
Wenn es den Veranstalter_innen schon nichts gelingt, bekannte Neonazis von der Fightcard zu streichen, sollten auch hier mindestens die Hauptsponsoren – die „Sternquell“ Brauerei und die „Sparkasse Vogtland“ – ihre Verträge kündigen oder Druck aufbauen.
Kommerzialisierung im Hooliganismus – Rückgriff auf Kampfsportler
Seit 2013 soll es den „King of the Streets Fight Club“ (KOTS) geben. Schwedische Hooligans, die unter dem Namen „Hype Crew“ auftreten, hatten das Format ins Leben gerufen. Um die 30 Kämpfe habe es seit dem gegeben. „Danish streetfighter coming to the fight club with no mercy ready for a blood-bath.. f**k the mainstream this is real underground shit“, so werden die Kämpfe angepriesen, die weitgehend ohne Regelwerk und vorrangig an abgelegenen Orten, wie etwa in Fußgängertunneln oder Parkhäusern, stattfinden. Um die Kämpfe im Stream im Internet sehen zu können, müssen sich Interessierte bei den Veranstaltern melden und 10 Euro bezahlen. Auch kann auf die Kämpfer gewettet werden.
Anfang September trat erstmals auch ein deutscher Kämpfer, der Dortmunder Neonazi-Hooligan Tom Neubert, beim KOTS an. „Win Dortmund Hooligan“ betitelte man in den sozialen Netzwerken ein Bild des Dortmunders nach seinem Kampf. Die Veranstalter hatten ihm ein Hotel gebucht und übernahmen auch die Reisekosten. Sogar ein Preisgeld soll es gegeben haben.
Tom Neubert gehört nicht nur den rechten Hooligans in Dortmund an, sondern zählt auch zum Freundeskreis um KdN-Mitorganisator Alexander Deptolla und die Partei „Die Rechte“ in Dortmund-Dorstfeld. Neubert nahm auch selbst schon am rechten Event „Kampf der Nibelungen“ teil und fiel zuletzt durch seine Teilnahme an dem ukrainischen MMA-Format „F1ght K1ngs“ auf. Ein noch recht junges Event, welches durch Mitglieder der Neonazi-Partei „National Korps“ und Angehörige des ukrainischen Neonazi-Regiments „ASOW“ organisiert wurde. Auch der in der Ukraine lebende Denis „Nikitin“ Kapustin ist maßgeblich in die Organisation des Events eingebunden.
Neubert trat dort auch unter dem Label der „Hooligans Dortmund“ auf. Trainiert wird er seit Jahren im Bottroper Gym „MMA Corps Ruhrpott“.
Die Teilnahme des Dortmunder Neonazi-Hooligans an internationalen Events wie jüngst dem KOTS offenbart mehrere Ebenen. Zum einen bestätigt es die vorangeschrittene Fusion von Personen aus dem semi-professionellen Kampfsport mit der organisierten Hooliganszene. Zum anderen weist es auf die Kommerzialisierung von „Ackerkämpfen“ hin. Die halböffentliche Präsentation „1 gegen 1“-Kämpfe zwischen Hooligans im KOTS-Format ist eine Steigerung innerhalb des Milieus. Fast 4000 Nutzer_innen gefiel das Bild in den sozialen Netzwerken, welches Neubert in Siegerpose zeigt. Um die 46 000 Personen folgen dem KOTS auf Instagram. Eine ähnliche Vermarktung von Hooliganismus konnte schon bei der russischen Hooligan-Plattform „Gruppa OF“ festgestellt werden. Bis zur Löschung ihres ersten Profils, folgten der Seite über 100 000 Personen. Dieses Format war auch Sponsor des „Kampf der Nibelungen“ im Oktober 2018 in Ostritz.