Körper zu Waffen, Stahl aus Fleisch? Der „Heureka-Kongress“ und dessen initiierende Gruppe „Wardon21“

Bildquelle: Pixelarchiv

Seit Sommer 2017 tritt eine Handvoll Neonazis unter dem Namen „Wardon 21“ (W21) auf. Mit viel Pathos versucht die Gruppe das Konzept des „NS Straight Edge“ wieder zu beleben und der stetig wachsenden, extrem rechten Kampf-und Kraftsportszene einen ideologischen Überbau zu verschaffen. Nun richtete W21 am vergangenen Wochenende ihren zweiten „Heureka Kongress“ in Thüringen aus. Grund genug, die maßgeblichen Akteure der Gruppe zu benennen, deren Werdegang innerhalb der Neonazi-Szene zu skizzieren und das Konzept des kleinen, aber einflussreichen Neonazi-Zirkels zu beleuchten.

Der „Heureka-Kongress“ 2019

Ausschließlich über die sozialen Netzwerke beworben, fand am 11. Mai 2019 der zweite „Heureka-Kongress“ in „Mitteldeutschland“ statt. Letztlich in einer Neonazi-Immobilie in Guthmannshausen (Thüringen), welche vom extrem rechten „Gedächtnisstätte e.V.“ betrieben wird. Etwa 100 Neonazis aus ganz Deutschland nahmen an dem eintägigen Event in der kleinen Gemeinde nördlich von Weimar teil. Die Anreise wurde – ähnlich wie bei RechtsRock-Konzerten – konspirativ koordiniert.

Tim Kühn von „Tiwaz“ als Redner auf dem „Heureka-Kongress“ 2019 (Quelle: Screenshot Facebook)

Maßgeblich organisiert und beworben wurde das pseudo-philosophische Treffen von der extrem rechten Plattform „Wardon 21“. Unterstützung fand die Gruppe von den Kampfsport-Formaten „Kampf der Nibelungen“ (KdN) und „Tiwaz“, von den Neonazi-Marken „Greifvogel Wear“ und „Black Legion“, sowie von der „AG Körper & Geist“ der Neonazi-Partei „Der III. Weg“. Auch Frank Kraemers Video-Blog „Der Dritte Blickwinkel“ wurde als unterstützende Struktur aufgelistet. Kraemer selbst trat auch als Redner auf, neben Alexander Deptolla vom KdN, Tim Kühn vom „Tiwaz“, Andreas Göbel alias „Der vegane Germane“ und dem extrem rechten Publizist Dr. Pierre Krebs.

Anders als im letzten Jahr sucht man vergeblich nach „White Rex“ als Unterstützer. Das Label, bzw. dessen Gründer Denis „Nikitin“ Kapustin, hatte dort noch im letzten Jahr eine wichtige Rolle als Netzwerker inne. Der „Weisse König“, wie „White Rex“ beim „Heureka Kongress“ 2018 beschreiben wurde, hatte in diesem Jahr allerdings mit der Organisation des Debuts einer eigenen Kampfsport-Veranstaltung zu tun – dem „F1ght K1ngs“-MMA-Event am 10. Mai in Kiew (Ukraine) . Laut Recherchen von „Spiegel Online“ habe Kapustin zudem Schwierigkeiten bei der Ausreise. Im Oktober 2018 nahmen ihn ukrainische Sicherheitsbehörden kurzzeitig fest. Er soll u.a. in der Herstellung von synthetischen Drogen verwickelt gewesen sein.

Auch Tomasz Szkatulski von „Pride France“ – der sonst regeläßig als Unterstützer aufgelistet wird – war nicht als Teilnehmer des Kongress anwesend. Er nahm stattdessen an einem Powerlifting-Wettbewerb der Neonazi-Gruppe „PPDM-Father Frost“ in Russland teil.

Im Publikum des diesjährigen „Heureka-Kongress“ fand man eine (nicht überraschende) Schnittmenge unterschiedlichster Neonazi-Organisationen. So waren Personen aus den ostsächsischen Strukturen der „Jungen Nationalisten“, darunter Julian Menzel, vor Ort, wie auch Maik Schubert, Felix Stiller und Nico Gollnick vom „Fightclub 062“ aus Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus fanden sich Neonazis von der vor allem virtuell agierenden Gruppe „Heimatliebe“ in Guthmannshausen ein, sowie weitere Mitglieder des Team „Kampf der Nibelungen“ – etwa Jim Koal und Philipp Liebetrau. Vom „Aktionsblog“ aus Rostock reisten zudem Guido Howald und David Mallow an.

Auch einige wenige Frauen, samt Kindern, waren unter den Teilnehmenden auszumachen. „Wardon 21“ hatte im Vorfeld angekündigt, eine Kinderbetreuung organisieren zu wollen.

Neben den bereits erwähnten RednerInnen im Programm, wurde am vergangenen Samstag auch eine Video-Botschaft von Gottfried Küssel abgespielt, wie man den sozialen Netzwerken entnehmen konnte. Küssel gilt seit den 80er Jahren als Schlüsselfigur der militanten Neonazi-Szene in Österreich und Deutschland.
Erst jüngst, im Januar 2019, wurde er aus dem Gefängnis entlassen, nachdem er 2013 in Österreich zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde.

Die Premiere 2018

Einige der Teilnehmenden des „Heureka“-Kongress 2018 im Hof der Neonazi-Imobillie in Allstedt OT Sotterhausen. Darunter Abgesandte von „White Rex“, „Black Legion“, „Aktionsblog“, „Fightclub 062“ und natürlich W21 (Quelle: Screenshot Facebook)

Im letzten Jahr erfuhr die Öffentlichkeit erst Tage später, dass ein Kongress namens „Heureka“ stattgefunden hat, denn Werbung gab es für das Debut des Kongress‘ nicht. Um die 60 Neonazis hatten sich dafür am 26. Mai 2018 in Sachsen-Anhalt eingefunden – in der Neonazi-Immobilie „Zum Thingplatz“ in Allstedt OT Sotterhausen. Das von außen schwer einsehbare Gebäude im Ortskern der kleinen Gemeinde wird seit Jahren von Enrico Marx und seiner Lebensgefährtin Judith Rothe betrieben. Beide betreuten teils wichtige Positionen innerhalb der NPD. Ihr Hof in Sotterhausen gilt vorrangig als Location für konspirative RechtsRock-Konzerte.
Inhaltlich ging es auf der Premiere des Kongress‘ 2018 vor allem um die Vorstellung der Plattform „Wardon 21“ – ähnlich wie in diesem Jahr. Die Gruppe war zuvor im Großen und Ganzen nur als virtuelles Projekt wahrnehmbar, einzelne Akteure fand man vor allem im Netzwerk des „Kampf der Nibelungen“ wieder.
Man habe mit dem Kongress eine „real gewordene Plattform fernab der anonymen sozialen Netzwerke“ geschaffen, so W21 in ihrer Nachbetrachtung 2018.
Tatsächlich referierten mehrere Mitglieder der Gruppe über unterschiedliche Ansätze, wie ein „gesunder Volkskörper“ erschaffen werden könne und zogen dabei u.a. Parallelen zur griechischen Antike und deren Gesellschaftsmodell – als Vorbild ihrer Gemeinschaft. Besonders die harten, militärischen Erziehungsmethoden (genannt „Agoge“), wie auch der kämpferische Mythos Spartas wurde gebetsmühlenartig in die Referate eingepflegt. Themen, die zum Grundstock der Neonazi-Gruppe gehören, gepaart mit den modernen Ideen der eigentlich progressiven Lebensweise des „Straight Edge“.

Auch 2018 trat Alexander Deptolla vom KdN-Team ans Rednerpult, neben Denis „Nikitin“ Kapustin von „White Rex“. Beide sprachen über die Entwicklungen und den Status Quo der rechten Kampfsport-Szene in Deutschland und Europa, gingen auf Kooperationen und Neuerungen ein und kündigten großspurig an, eine eigene Liga zu gründen. Auch die tatsächlich für November 2018 angedachten (und verschobenen) „Teamfights“, wurden auf dem Kongress im letzten Jahr schon angesprochen.
Am Abend trat zudem ein Liedermacher auf.
Wie im letzten Jahr wirkte die heterogene Konstellation der BesucherInnen des Kongress auch in diesem Jahr nicht unstimmig. Die Tagung verbindet eben einzelne Elemente aus dem Bereich Sport und Ernährung mit Werten und Idealen des historischen Nationalsozialismus.
Dass sich davon auch altgediente Neonazis angesprochen fühlen, bestätigte sich im letzten Jahr etwa durch die Teilnahme von Thomas „Ace“ Gerlach. Der umtriebige Neonazi, der als einflussreich innerhalb der Neonazi-Bruderschaft „Hammerskins“ gilt, bezieht sich in diesem Zusammenhang vor allem auf die Prinzipien der Selbstversorgung, der Volksgemeinschaft und auf die Ideen eines „gesunden Geistes in gesundem Körper“.
Mit Gerlach beherbergte der Kongress außerdem einen engen Vertrauten des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben, der wie Gerlach der extrem rechten „Artgemeinschaft“ zugerechnet wird. Auch diese elitäre Gruppe weist einige Parallelen zur Weltansicht von „Wardon 21“ auf.

Nicht notwendigerweise müssen sich die Teilnehmenden des Kongress mit der Straight Edge-Bewegung identifizieren, so die Veranstalter im letzten Jahr. Ein Grundverständnis für diese Idee wäre aber wohl wünschenswert. Die Übernahme von Ideen der Straight Edge-Bewegung, vegane Ernährung und Idealisierung des spartanischen Staates ist innerhalb der Neonazi-Szene nicht neu. Einzelne Elemente fand man schließlich schon vor über zehn Jahren bei den „Autonomen Nationalisten“ und der ihnen nahestehenden NS-Hardcore-Szene.
„Wardon 21“ vereint diese Aspekte und kann sie, dank sozialer Netzwerke wie Instagram und Facebook, wesentlich moderner inszenieren und verbreiten.

Wer ist „Wardon 21“?

Es fällt schwer, die Gruppe in herkömmliche Kategorien stecken zu wollen. Der Begriff „Plattform“ scheint uns deshalb als Bezeichnung am ehesten passend.
Die Gruppe ist weder homogen, noch regional. Sie ist der Knotenpunkt verschiedener Neonazi-Freundeskreise aus Brandenburg, Österreich, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Keine klassische Neonazi-Kameradschaft oder Bruderschaft, sondern viel mehr eine komplexe Propaganda-Maschine, die in vielen Bereichen neonazistischer Erlebniswelten an Einfluss zu gewinnen scheint. Durch Treffen wie den „Heureka-Kongress“ oder gemeinsame Aktivitäten wächst diese Gemeinschaft zusammen und rekrutiert damit neue MitstreiterInnen.

Als im Nachgang des französischen Neonazi-Kampfsportevents „Force et Honneur“ im Juni 2017 Bilder auftauchten, auf denen eine Handvoll Neonazis aus Deutschland und Österreich zu sehen war – hinter der Flagge einer Gruppe namens „Wardon 21 -, war unklar, was es damit eigentlich auf sich hatte. Klar war dato, dass eine Delegation des Teams des „Kampf der Nibelungen“ an dem Wettkampf südlich von Genf teil genommen hatte. Bei einem der Abgesandten dieses Teams handelte es sich um den aus Südthüringen stammenden Philipp Liebetrau, der dort auch dem Zusammenhang W21 angehörte.

Die Connection Südthüringen

Philipp Liebetrau (links) zu Gast in Moskau bei Maxim Savelyev von der Neonazi-Trainingsgrupe „PPDM-Father Frost“ (Quelle: Screenshot Facebook)

Seit über fünfzehn Jahren ist Liebetrau in der Neonazi-Szene aktiv. 2005 als Neonazi-Skinhead im Umfeld der „Kameradschaft Zella-Mehlis“ bekannt, führten ihn seine Aktivitäten zur Kameradschaft „Freie Kräfte Südthüringen“, die vor allem das Konzept der „Autonomen Nationalisten“ verfolgten. Lebensentwürfe wie Straight Edge und vegane Ernährung spielten schon dort eine große Rolle und waren aufgrund der damit einher gehenden Querfront in der Neonazi-Szene nicht unumstritten. Eines der ersten modernen, rechten Medien-Projekte – „Media Pro Patria“ – griff diese Themen wiederholt auf. Das Projekt, bei dem Liebetrau federführend mitwirkte und das heute von einem anderen Personenkreis betrieben wird, löste sich 2010 auf, ein Großteil der damals Mitwirkenden stieg aus der Szene aus.

„Trauermarsch“ 2015 in Magdeburg. Links am Banner: Philipp Oertel; Rechts am Banner: Philipp Liebetrau, Mittig: Jörg Hennig (Quelle: Presseservice RN)

Der in Wernshausen bei Schmalkalden aufgewachsene Liebetrau führte seine Betätigungen in der Szene jedoch weiter, versuchte sich als „Anti-Antifa“-Fotograf und wurde Mitbegründer der Kameradschaft „Freies Netz Suhl/Zella-Mehlis“. Aus dieser entstand nur kurze Zeit später das „Infoportal Suhl/Zella-Mehlis“, für dessen politischen Inhalt Liebetrau verantwortlich war.
Schon in den Jahren zuvor hatte es einen regen Austausch zwischen Südthüringer Neonazis und den Dortmunder Strukturen um die Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) gegeben. Liebetrau und seine MitstreiterInnen waren auf zahlreichen Aufmärschen der Dortmunder Szene anwesend, wie etwa auf dem „Antikriegstag“ 2011. Um 2014 zog Liebetrau selbst für einige Zeit nach Dortmund. Dass er heute als Abgesandter des „Kampf der Nibelungen“ auftritt – zuletzt im Dezember 2018 auf einem extrem rechten Kampfsportevent in Moskau – dürfte an den früh geknüpften Kontakten nach Dortmund liegen. Schließlich ist die Struktur des 2012 verbotenen NWDO und dessen Nachfolgeorganisation „Die Rechte Dortmund“ die Wiege des KdN.

Jörg Henning auf diversen Aufmärschen. Unten Links in Döbeln 2013 (Quelle: Pixelarchiv), unten rechts beim „Rudolf Hess Marsch“ in Berlin 2017 (Quelle: Exif-Recherche), oben rechts als Mitwirkender in einem Video von „Media Pro Patria“ um 2009 und oben links mit seiner (Ex)-Partnerin, der rechten Kampfsportlerin Emma Gongora aus Marseille

Einen Weggefährten in der Welt um NS-Hardcore-Konzerte, Veganismus und Straight Edge fand Liebetrau früh in Jörg Henning aus Suhl. Auch er gehört seit der Gründung 2017 der Plattform „Wardon 21“ an. Henning durchlief mit Liebetrau die regionalen Kameradschaften und war selbst sogar Mitwirkender in einem Video von „Media Pro Patria“ zum Thema Straight Edge. Waren Henning und Liebetrau bis 2010 vorrangig auf lokalen Aufmärschen in Südthüringen anzutreffen, zog es beide die darauf folgenden Jahre immer mehr in die überregionale Organisation. So war Henning 2013 auf einem Aufmarsch der JN 2013 in Döbeln (Sachsen) zugegen und marschierte 2014 in Magdeburg auf dem alljährlichen „Trauermarsch“ mit. 2015 hatte er sich bei selbigem Aufmarsch im Block der „Nationalen Sozialisten Südthüringen“ eingefunden.

Unten: Philipp Oertel (links) als Standbetreuer von „Greifvogel Wear“ im Sommer 2018 in Themar (Quelle: Witzgall), oben rechts mit Stefan Wedekind (Mitte) und seinem Bruder Lukas Oertel (1.v.l.) bei der „La Familia“-Fightnight in Halle im April 2018

Am Transparent stand dort auch Philipp Liebetrau, gemeinsam mit Philipp Oertel.
Er und sein jüngerer Bruder Lukas Oertel stammen ebenfalls aus Südthüringen, aus dem Landkreis Hildburghausen. Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen die Oertel-Brüder vor allem auf Feiern des Kirmesvereins in Oberstadt. Lukas Oertel besuchte zudem regelmäßig nicht-rechte Hardcore-Konzerte. Eine Politisierung und Radikalisierung hin zum Konzept des NS-Straight Edge dürfte über seinen Bruder Philipp erfolgt sein.
Heute gehören die Brüder zum festen Bestandteil von „Wardon 21“.

Multifunktionär aus Österreich

Oben links: Eder und Harald Klaunzer auf dem „Ulbrichsbergtreffen“ in Kärnten (Quelle: stopptdierechten.at); Oben Mitte: als Interviewpartner bei „Extra3“ zum Satire-Thema „Säxit“; oben rechts: als Musiker bei „Terrorsphära“; Unten links als Teilnehmer des „Europa-Kongress“ der JN im Mai 2018 in Riesa (Quelle: Recherche Nord), Unten rechts: als Mitarbeiter im ehemaligen Verkaufsladen von „OPOS Records“ in Dresden

Neben Philipp Liebetrau ist Manuel Eder (geboren Schmisrauter) die treibende Kraft hinter „Wardon 21“. Er wuchs in der Nähe von Lienz in Osttirol (Österreich) auf und begann seine „Karriere“ in der extremen Rechten schon in jungen Jahren. So war er in der „Kameradschaft Osttirol“ aktiv, nahm mit dieser an den extrem rechten, geschichts-revisionistischen „Ulbrichsbergtreffen“ in Kärnten teil und betätigte sich in der „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.“ (HNG), die 2011 in Deutschland verboten wurde. Er selbst konnte mit Anfang 20 auf eine mehrjährige Haftzeit blicken und stand mehrfach wegen NS-Wiederbetätigung, Angriffen auf Geflüchtete und wegen der Herstellung von Rohrbomben vor Gericht.
Gemeinsam mit seinen engsten Weggefährten Stefan Geiger und Harald Klaunzer gründete er in Österreich die NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“ und war Teil der NS-Black Metal-Band „Feuernacht“. Mit Geiger und Klaunzer ist er zudem im Verein „Taekwondo Lienz“ aktiv. Die dort erlernten Fähigkeiten stellten Eder und Geiger etwa 2016 im Rahmen des „Kampf der Nibelungen“ vor.
Eine ausführliche Betrachtung dieser Szene um NS-Hardcore und Kampfsport veröffentlichte „Exif-Recherche“ schon im Dezember 2017.

In seiner Zweitheimat in Sachsen wirkt Eder bis heute als Netzwerker. So arbeitete er kurz nach seinem Zuzug anfangs im Dresdner Neonazi-Laden „Never Straight“, welcher ein Tattoo-Studio, sowie eine Verkaufsfläche für das einflussreiche Neonazi-Label „OPOS Records“ von Sebastian Raack beherbergte. Eder übernahm dort vor allem die Promotion der extrem rechten Kampfsport-Marke „Greifvogel Wear“. Nach dem Umzug von „OPOS Records“ und „Greifvogel Wear“ im Dezember 2016 ins Südbrandenburger Lindenau, firmierte das Tattoo-Studio „Never Straight“ unter neuem Namen in Dresden: „Schwarzblut Tätowierungen“. Manuel Eder begann dort als Lehrling, bis er 2018 zum Studio „East Front Tattoos“ in Hohnstein (Sächsische Schweiz) wechselte, wo er unter seinem Künstlernamen „Kailash“ arbeitete. In dieser Zeit bewegte sich Eder, wie viele seiner MitstreiterInnen von „Wardon 21“, auch in der alternativen, linken Subkultur. So war er mehrfach Besucher nicht-rechter Hardcore-Konzerte, etwa in der Dresdner „Chemiefabrik“.
Aktuell soll Eder hauptsächlich wieder in Österreich leben.

Er ist zudem einer der wichtigsten, treibenden Kräfte im Austausch mit der russische Neonaziszene. Diese Rolle gewann er u.a. durch sein musikalisches Wirken. Unter dem Pseudonym „xFreiwilligerx“ spielte Eder u.a. bei der russischen Neonazi-Band „You Must Murder“ den Bass ein, deren Sänger „Cain“ auch als Ringsprecher auf Kämpfen von „White Rex“ in Moskau tätig war. Die Band selbst war lange Zeit das musikalische Aushängeschild von „White Rex“.

Im Rahmen dieses Austausches ist Eder auch mit der Trainingsgruppe „PPDM – Father Frost Mode“ in Berührung gekommen, die als Unterstützergruppe von „White Rex“ gilt. PPDM ist schließlich Ideengeber für „Wardon 21“, betrachtet man die inhaltliche Ausrichtung beider Gruppen. Ähnlich wie PPDM will W21 die Neonazi-Szene motivieren, sich im Kampf-und Kraftsport zu betätigen. Regelmäßig besuchen Abgesandte von W21 bis heute die russische Neonazigruppe und traten zum Jahreswechel 2017/2018 auch als Mitwirkende in einem der Motivationsvideos von PPDM in Erscheinung.

Die Bemühungen, eine enge Kooperation zwischen „Greifvogel Wear“ und „White Rex“ zu etablieren, dürfte somit auch auf Eder zurück zuführen sein. Es ist letztlich kein Geheimnis, dass der rechte Egozentriker Projekte an sich reißt und aufgrund seines Netzwerkes in den verschiedenen Erlebniswelten die Fähigkeiten besitzt, diese Projekte (teils erfolgreich) umzusetzen.

Großkalibrige Waffen und MMA

Ralph Schießl in mehreren Funktionen. Oben links: mit seinem Trainingspartner Lemmy Krusic; Mittig als Sänger von „Terrorsphära“; Rechts als Model von „Stand Your Ground“ (Screenshots Facebook)

Im Juni 2017, beim „Force et Honneur“ in Frankreich, war auch der im Raum Schärding in Oberösterreich wohnhafte Ralph Schießl als Teil von W21 ausmachbar. Anders als Manuel Eder oder Philipp Liebetrau ist Schießl sehr darauf bedacht, in der Öffentlichkeit nicht als Teil der Gruppe erkennbar zu sein und ist in dem Zusammenhang oft verpixelt oder verdeckt dargestellt. Dies gilt auch für Konzerte der NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“, wo Schießl neben Harald Klaunzer seit letztem Jahr am Gesang steht. Die Konzerte bestreiten beide nur vermummt.
In Oberösterreich trainierte Schießl bis mindestens Frühjahr 2018 im „American Top Team Austria“ in Linz und zählte dort zum engsten Freundeskreis um den MMA-Profi-Kämpfer Lemmy „The Dog“ Krusic.
Wenn er nicht im Gym ist, widmet sich Schießl dem Motorradfahren.

Schon 2011 ein Waffennarr. Schießl in Pose, damals noch ohne Bart und optisch eher der Hip Hop-Jugendbewegung angehörend (Quelle: Screenshot Facebook)

Sein Begleiter Thomas Bauer lichtet ihn in dem Zusammenhang regelmäßig ab und veröffentlicht die Bilder auf seinem Kanal „T.B. Photography“. Auch Bauer zeigt sich offen mit extrem rechten Symbolen – etwas mit dem Logo von „White Rex“ und anderen Neonazi-Marken.

Ralph Schießls eigentliche, viel brisantere „Freizeitgestaltung“, ist das Training mit klein-und großkalibrigen Waffen. Regelmäßig fährt er auf den Schießstand und übt etwa den schnellen Wechsel des Magazins seines Sturmgewehrs „ArmaLite AR 15“. Einen Weggefährten in Sachen Waffen fand Schießl vor einiger Zeit in Benjamin Boss.

Stolz präsentiert Schießl seine Waffensammlung, die er offensichtlich zu Hause aufbewahrt. Oben links mit Patch der bewaffneten, ukrainischen Neonazi-Organisation „Misantrophic Division“. Im Bild rechts gemeinsam mit Benjamin Boss auf der Waffenmesse in Nürnberg 2017 (Quelle: anonym zugespielt)

Dieser war u.a. führender Aktivist der bayrischen Kameradschaft „Nationaler Widerstand Amberg“ und nahm mit diesem Zusammenhang etwa am 30. Oktober 2010 an einem Aufmarsch in Gedenken an den umtriebigen Neonazi Jürgen Rieger in Wunsiedel teil. An Boss‘ Seite stand damals auch Daniel Weigl – Kader der heute verbotenen Kameradschaft „Freies Netz Süd“, Gründer der rechten Kampf-und Kraftsportmarke „Walhall Athletik“ und Wegbereiter der rechten Kampfsportszene in Deutschland.
Eine Verbindung dieser Marke zu Schießl findet man schnell: 2015 war Schießls Trainingspartner im Gym, Lemmy Krusic, einer der von „Walhall Athletik“ gesponserten Kämpfer.

Benjamin Boss, wie auch Daniel Weigl, traten in den letzten Jahren nicht öffentlich innerhalb extrem rechter Zusammenhänge in Erscheinung. Und ähnlich wie Weigl, versuchte sich auch Boss als Unternehmer, war u.a. als Vertriebsleiter für eine Consulting-Firma tätig.
Aktuell ist Boss Inhaber der Marke „Stand your Ground“ (SYG), die sich mit entsprechenden Motiven Sportschützen, Soldat_innen und anderen Waffennarren anbiedert.
Ralph Schießl begleitete Benjamin Boss 2017 nicht nur auf die Waffenmesse „IWA“ in Nürnberg, sondern ist auch selbst für SYG als Model tätig. Eine explosive Mischung – Neonazismus und Zugang zu Waffen – die sicher am Rande der geltenden Richtlinien in der Vergabe der Waffenrechte in Österreich liegen dürfte. Bilder zeigen Schießl schließlich auch mit Bekenntnissen zu extrem rechten Militäreinheiten aus der Ukraine. Das Logo einer dieser Gruppen – die „Wotanjugend“ – liess Schießl sich sogar auf den Oberschenkel tätowieren.
Erst jüngst hatten die Behörden in Österreich landesweit Razzien wegen NS-Wiederbetätigung durchgeführt und fanden dabei u.a. auch Waffen. Der Freundeskreis um Schießl, etwa seine Mitstreiter bei „Terrorsphära“, war von den Maßnahmen im März 2019 offensichtlich nicht betroffen – obwohl das Posieren mit Waffen, die Verbreitung neonazistischer Inhalte und Gewaltaufrufe zum Standardreportoire der Band „Terrorsphära“ gehören.

Zwischen Buddha und Hitler

Heiko Drews als Redner beim ersten „Heureka-Kongress“ 2018. Oben rechts zu erkennen als „Secretary“ des Spremberger Ablegers des „Gremium MC“; Unten rechts: Drews mit tätowiertem Emblem der „Leibstandarte Adolf Hitler – LAH“ (Quelle: Screenshots Facebook)

2018 gewann „Wardon 21“ an Zuwachs. Etwa durch den in Spremberg (Brandenburg) wohnhaften Heiko Drews. Drews, der seit Jahren im „Spike Tattoostudio“ in Spremberg arbeitet, ist selbst übersät mit Neonazi-Tattoos – etwa mit dem Emblem der „Leibstandarte Adolf Hitler“.
In den sozialen Netzwerken veröffentlicht Drews fast täglich Bilder seiner unterschiedlichen sportlichen Aktivitäten, immer in Bezug auf „Wardon 21“ und dessen neonazistischen Bildnis‘ eines „gesunden Geistes im gesunden Körper“. Der Brandenburger bezeichnet seinen Lebensweg als „NS Vegan Straight Edge“ und kombiniert dabei auch Elemente des Buddhismus. Sicher ungewöhnlich und nicht repräsentativ für die Szene, jedoch nicht abwegig. Schließlich sind Begriffe wie Reinheit und Nüchternheit Kernelemente von W21, die sich selbst auch als „Sober Gentlemen‘s Club“ bezeichnen.

Heiko Drews in Pose, als Abgesandter von „Wardon 21“ (Quelle: Screenshot Facebook)

Anhand von Drews ist zudem erkennbar, warum „Wardon 21“ mehr als eine Plattform zu verstehen ist, auf der sich unterschiedliche Charaktere aus der extremen Rechten sammeln können, solange sie die Grundwerte der Gruppe vertreten.
Denn außerhalb der Gruppe ist Drews noch in ganz anderen Lebenswelten verankert. So gehört er nicht nur der RechtsRock-Szene um Bands wie „Hausmannskost“ aus Cottbus an, sondern ist eine der Führungspersonen des Motorradclubs „Gremium MC“ in Spremberg. Selbstdarstellungen in Videos des durch und durch mit Neonazis durchsetzten Ablegers dieses Motorradclubs belegen, dass Drews dort in der Position des „Secretary“ tätig ist.

Früher „Blood & Honour“, heute Kettlebells

Mario Kleibert: links beim Training und rechts als Abgesandter von „Wardon 21“ beim KdN im Oktober 2018 in Ostritz (Quelle: Pixelarchiv)

Die Straight Edge-Lebensführung hat auch Drews langjähriger Mitstreiter Mario Kleibert verinnerlicht. Der u.a. in Sachsen-Anhalt als Gerüstbauer arbeitende Kleibert fing nur kurze Zeit nach Drews an, als Anhänger von „Wardon 21“ aufzutreten. Antifaschist_innen ist er jedoch schon seit Ende der 1990er Jahre bekannt. So gehörte er dem Netzwerk von „Blood & Honour“ in Cottbus an und dürfte dort eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, wie die Infozeitung „Hinter den Kulissen…“ 1999 zu berichten wusste. So wurde er im Juli 1998 gemeinsam mit einem weiteren Neonazi an der deutsch-polnischen Grenze festgesetzt, weil er eine größere Anzahl von CDs von Neonazi-Bands mit sich führte, die offenbar für den Weiterverkauf in Deutschland gedacht war.

Mit „Wardon 21“ nahm Kleibert bisher an Events wie dem „Kampf der Nibelungen“ im Oktober 2018 in Ostritz teil, aber auch am „Heureka-Kongress“ im Mai 2018.
Außerhalb der Neonazi-Szene war Kleibert in Thüringen vorrangig im Bereich des Kettlebell-Trainings aktiv und erwarb 2018 die „Hardstyle Kettlebell Certification“, mit der er nun auch selbst Training geben kann.

Vegane Smoothies für den „Kampf der Nibelungen“

Kevin Weber: links, mittig als Abgesandter von „Wardon 21“ auf dem KdN im Oktober 2018 (Quelle: Pixelarchiv); rechts mit „Wardon-Gruß“ im Jahr 2017 (Quelle: Screenshot Facebook)

Bereits im Sommer 2017 veröffentlichte der aus dem Raum Jena stammende Kevin Weber erstmals ein Bild, auf dem er stolz den „Wardon Gruß“ zeigt – eine Abwandlung der Geste, wie man sie in der Straight Edge-Szene benutzt.
An rechten Events der Neonazi-Kampfsportszene nahm Weber erstmals öffentlich im Oktober 2018 teil – im Rahmen des „Kampf der Nibelungen“. Dort war er mit anderen Mitgliedern von „Wardon 21“ u.a. für die Verpflegung zuständig und servierte vegane Smoothies an die teilnehmenden Neonazis.
Mittlerweile wohnt Weber in Berlin und arbeitet im angesagten „nhow“-Hotel in Friedrichshain-Kreuzberg. Dass seine Arbeitgeber_innen von seinen Aktivitäten in der organisierten Neonazi-Szene wissen, möchten wir bezweifeln.

Musik als Sprachrohr

Inwiefern NS-Hardcore der Plattform „Wardon 21“ als Sprachrohr dient, zeigt sich nicht nur anhand von „Terrorsphära“, sondern auch am Beispiel des Projekts „Thrive On A Cross“. Die Band ist ein Gemeinschaftswerk von Philipp Liebetrau, Stefan Geiger und Manuel Eder von „Terrorsphära“ und Musikern von „Painful Life“, darunter Stefan Wedekind aus dem Raum Angern (Sachsen-Anhalt). Wedekind, genannt „Willi“, gehört seit 2017 „Wardon 21“ an und steht gemeinsam mit Manuel Eder bei „Thrive On A Cross“ am Gesang.

Stefan Wedekind (rechts) und Philipp Liebetrau im Proberaum von „Thrive On A Cross“ (Quelle: Screenshot Facebook)

„(…) Deine Fäuste zieren Kreuze, XXX, schwarz wie die Nacht. FATHER FROST, WARDON, Russland, Deutschland, Einig Bruderschaft. (…) Doch nun rennst Du selbst los, und erschaffst Stahl aus Fleisch. Formst Dich und immunisierst deinen Geist. Brichst deine Schwächen und die Knochen deiner Feinde. Stehst ein für das Starke, Gesunde und Reine. Als ein nüchterner Krieger mit wachem Verstand, begreifst Du Dich und säuberst dein Heimatland. Keine Gnade für Abschaum,
keine Toleranz. Hardline Straight Edge dein Glaube. Dein Leben heißt Kampf.“

So heißt es im Booklet der 2018 veröffentlichten Promo-CD von „Thrive On A Cross“.
Ähnlich propagandistisch wirkten bereits Ankündigungen und Statements von „Terrorspähra“:
„Und während Ihr am Eisen oder am Sandsack alles gebt, geben wir im Studio alles und liefern Euch die passende Motivationsmusik“, hieß es etwa 2017 von Seiten der Band.
„Terrorsphära zu hören, heißt, sich im Geist UND an der Waffe vorzubereiten!“, kommentierte zudem Manuel Eder eines seiner in den sozialen Netzwerken geposteten Bilder.

Während „Terrorsphära“ einem breiten RechtsRock-Publikum als Motivations-Musik im Gym dient, ist „Thrive On The Cross“ ein Projekt, welches sich explizit an die „Hardline-Straight Edge“-Szene richtet. Ihr aktuelles Album „XXXtreme Revolution“ ist übersättigt mit Inhalten, die zum bewaffneten Kampf gegen die moderne Gesellschaft und das System aufrufen. In dem Song „Against the flood“ heißt es etwa:

„ (…) Mag eine Flut voller Dreck mich auch umgeben. Ich bleibe standhaft und ich knüpf am Galgenstrang! Denn es wird für alles einen Zahltag geben! Wir sind bereit. Wut wird zu Widerstand! (…) Hardline! Ein Leben lang im Kampfe sein! Das ist die Faust, die nun das Kranke schlägt ins kalte Grab! Straight Edge until i fucking die! (…)“

Alles aus einer Hand

Militanter Habitus: die NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“; 1.v.l. Manuel Eder, 2.v.l. Ralph Schießl (Quelle: Screenshot Facebook)

Analysiert und vergleicht man Sprache und Inhalt der Texte von „Terrorsphära“ und „Thrive On A Cross“, Promo-Videos der Neonazi-Marke „Greifvogel Wear“ und veröffentlichte Statements von „Wardon 21“, wird schnell klar, dass diese aus ein und der selben Feder stammen müssen. Sieht man sich dann die im Internet kursierenden Live-Mitschnitte von Konzerten von „Terrorsphära“ an, ist es vorrangig deren Gitarrist Manuel Eder, der das Publikum mit den selben Floskeln auffordert den „Körper zur Waffe“ zu transformieren.

Ein Beispiel:
Zitat von „Wardon21“, etwa über das spartanische Erziehungssystem „Agoge“:
„(…) Das Prinzip der japanischen oder der hellenischen Agoge muß wieder in germanischer Schwertform auf dem Amboss der Selbsterschaffung geschmiedet werden(…),

Zeile eines Songs von „Terrorsphära“:
„(…) Lakedaimon. Errichtet wurde Fleisch aus Stahl, am Amboss der Agoge, Körperzucht voll Härte, Schmerz und Qual. Lakedaimon. Ein Stamm zur Kriegsmaschine ward. Elite unter´m Lambdaschild. Herakles´irdisch Ebenbild (…)“.

Zitat aus einem Promo-Video der Neonazi-Marke „Greifvogel Wear“:
„ (…) Jene aber deren Herz wie das deine schlägt sind der Lebensgruß einer Welt in der das Königreich germanisches Sparta genannt wird (…)“

Das bedeutet am Schluss auch, dass sich die Szene um W21 vor allem an Eigenreferenzen nährt.
Mit Hinblick auf die klassische RechtsRock-Szene könnte man meinen, dass sich auch dort Inhalte wie die „Schaffung eines gesunden Volkskörpers“ breit machen. Mit Textzeilen wie „Kampf macht frei“ oder „Leben das heißt kämpfen“ versuchen schließlich auch Bands wie „Überzeugungstäter“, „Anthrazit“ und „Übermensch“ das scheinbar neue Bewusstsein der Neonazi-Szene voran zu treiben.

Frank Haack bei der Anreise zum „Europa Kongress“ der JN im Mai 2018 in Riesa (Quelle: Recherche Nord)

Dass hinter diesen Bands der im Raum Greifswald wohnhafte Frank Haack steckt – der bis vor kurzem noch bei „Terrorsphära“ am Schlagzeug saß –  trübt diese Suggestion.
Das Potential der Szene ist am ehesten messbar anhand der Teilnehmerzahl expliziter NS-Hardcore-Konzerte. Eines, welches am 2. November 2018 in Rahmen des Neonazi-Festivals „Schild & Schwert“ stattfand, zog knapp 400 Personen an – und sicher nur deshalb, weil dort „Terrorsphära“ ihren letzten Auftritt in Deutschland gaben.

Kleine Gruppe, großer Einfluss?

Themen wie Tierschutz, vegane Lebensführung und der Verzicht von Alkohol oder Drogen zirkulierten schon Anfang der 2000er Jahre in der Neonazi-Szene. Vor allem die NS-Hardcore-Szene und die daran angebundenen Konzepte der „Autonomen Nationalisten“ bedienten sich diesen eher links besetzten Feldern.

Gruppenbild von W21 im Rahmen eines der regelmäßigen, internen Austauschtreffen. V.l.n.r.: Lukas Oertel, Jörg Henning, Heiko Drews, Philipp Liebetrau, Manuel Eder, Kevin Weber, Mario Kleibert, Stefan Wedekind und Philipp Oertel (Quelle: Screenshot Facebook)

Anders als in Osteuropa, wo der Begriff des „NS Hardline Straight Edge“ innerhalb der jungen Generation von Neonazis seit Jahren stetig an Einfluss gewinnt, verloren die Konzepte der „Autonomen Nationalisten“ in Deutschland deutlich an Strahlkraft. Geblieben war vor allem der Lifestyle-Aspekt und eine Professionalisierung des NS-Hardcore.
Nun, durch die Vereinnahmung von Kampf-und Kraftsport, wächst erneut das Interesse der extremen Rechten, seinen „Körper und Geist rein zu halten“.

Wie nie zuvor kokettieren Woche um Woche mehr Neonazis mit ihrem Wandel zum Straight Edge. „The aryan way of life“ betiteln einige diesen Lebensentwurf und inszenieren sich dementsprechend als modernen Krieger. Sektenartig und fanatisch stilisiert man sich zum Auserwählten einer Elite – den „Chosen Few“ – und erfährt eine individuelle Aufwertung. Gruppen wie W21 bieten schließlich den ideologischen Überbau für diese „Kampfgemeinschaft“ – angelehnt an die „Phalanx“ aus der griechischen Antike, auf die sich bezogen wird.

NS statt „Neue Rechte“

Im Kern besteht W21 zwar nur aus einer Handvoll Mitgliedern, ihr UnterstützerInnen-Umfeld ist jedoch wesentlich größer. Vor allem der „Fight Club 062″, wie auch Aktivisten der „Junge Nationalisten“ aus Ostsachsen beziehen sich auf die Neonazi-Plattform. Wie wenig „Neue Rechte“, trotz eigener meta-politischer Aussendarstellung, im Wirken dieses Kreises steckt, es sich statt dessen um ideologisch gefestigte Neonazis handelt, beweist auch eine jüngere Aktivität dieses Zusammenhangs.

„Hitlermarsch“ von Aktivisten der JN und W21 am 20. April 2019 in der sächischen Schweiz (Quelle: Screenshot Facebook)

So führte W21, darunter u.a. Philipp Liebetrau, Heiko Drews und Jörg Henning, gemeinsam mit Aktivisten der „Jungen Nationalisten“ aus Ostsachsen am 20. April 2019 einen „March der 18 Treu’n“ in der sächsischen Schweiz durch. Nicht zufällig war dieses Datum gewählt, denn niemanden anderes als Adolf Hitler wollten die wandernden Neonazis an seinem 130. Geburtstag ehren. „Hitlermarsch“ stand auch auf den Urkunden der Teilnehmenden.
Die verklärte Sicht auf Adolf Hitler als historisches Vorbild der NS-Straight Edge- Szene – sei es aufgrund der Überlieferungen, Hitler wäre dem Alkohol abgeneigt und Vegetarier gewesen – manifestiert sich auch in dem eigens für den Marsch gedichtenen Vers. Dort heißt es u.a.:

„ (…) Woll’n wir in der Kneipe sitzen, fröhlich trinken auf sein Wohl? Benebelt große Reden schwingen, die ertrinken im Alkohol. Oder woll’n wir wahrlich streiten, für die Idee, die Er gebar. Mit unsren Taten Ihn beschenken wie es doch sein Wille war. So, mein Freund, entscheide Du. Was würde Ihn wohl mehr erfreu’n? Ein Besäufnis in der Kneipe, oder einen Marsch der 18 Treu’n? Ein Marsch der 18 Treu’n! (…)“

Einschätzung

Ohne einen Überbau wie „Wardon 21“ funktioniert eine individuelle Aufwertung jedoch kaum. Andersherum könnte W21 keinen Einfluss nehmen, gäbe es nicht diesen gesamtgesellschaftlichen Fitness-Trend und den Kampfsport-Boom. Das Potential von Plattformen wie W21 liegt vor allem in dem Angebot an die extreme Rechte, sich als Teil einer Gemeinschaft aus „KriegerInnen gegen die moderne Welt“ verstehen zu können. Auch dies ist ein gesellschaftlicher Trend, in dem der Mann wieder Mann sein will und die Rolle der Frau sich an rückwärtsgewandten Idealen anlehnt. Gewaltbereite Männer suchen sich eine Gemeinschaft jenseits progressiver Gesellschaftsformen, während Frauen „feminin“ statt „feministisch“ sein wollen. Dass diese Konzepte in der extrem rechten Kampfsportszene, durch dessen übertriebene, soldatische Männlichkeit, am ehesten fruchten können, überrascht wenig.

Den „Kampfgeist“ zu stärken und den „Körper zur Waffe“ zu formen sind Ausdrücke dafür, dass diese Szene keinen Abwehrkampf forciert, sich nicht in der Opferrolle sieht. Man(n) ist längst in der Offensive und scheint nur auf Momente zu warten, das Erlernte in die Tat umzusetzen. Dass die Kernmitglieder von „Wardon 21“ stets Einhandmesser mit sich führen, verdeutlicht diesen Habitus.