„Bisschen Airbrush organisieren…“ – zum Umgang mit Neonazis und deren Symbolen auf Kampfsportevents


Nach der massiven Kritik an der Teilnahme von Timo Feucht als Kämpfer auf der „Nova Fighting Championship“ (Nova FC) am kommenden Samstag, folgte nun die Streichung des Leipzigers von der Fightcard – begründet jedoch mit fadenscheiningen Ausreden.
Wir dokumentieren im Folgenden die Entwicklungen rund um die losgetretene Debatte, ob man Neonazis in den Ring antreten lassen sollte. Dabei möchten wir auch auf die zahlreichen Aussagen eines der Veranstalter der Nova FC, Peter Sobotta, eingehen, in denen es u.a. um den Umgang mit Neonazi-Tattoos geht.

Ausreden und Verklärung

Wenige Tage vor der Premiere der „Nova Fighting Championship“ am 13. April 2019 in Balingen, teilten die Veranstalter_innen mit, dass sie Timo Feucht als Kämpfer nun doch nicht mehr präsentieren könnten. Vorangegangen waren die Veröffentlichung von Hintergrundinformationen über ihn, sein Umfeld und die Veranstalter und eine damit verbundene öffentliche Diskussion um die Aktivitäten Feuchts in der extrem rechten Hooliganszene Leipzigs.
Sponsoren der Veranstaltung wurden angeschrieben und auch der Online-Sender ranFIGHTING geriet massiv in die Kritik, da dieser angekündigt hatte, den Kampf von Feucht übertragen zu wollen.
Statt einer Positionierung der Veranstalter_innen gegen die Teilnahme von Personen aus der rechten Szene als Kämpfer, veröffentlichte Nova FC „schweren Herzens“ am 10. April stattdessen die Nachricht, dass Feucht aufgrund von Vertragsklauseln mit seiner Stammliga „Brave Combat Federation“ nicht antreten könne. Eine mehr als faule Ausrede, so kurz vor dem Event.
MMA-Begeisterte können von Peter Sobotta und seinen Ambitionen, mit Nova FC den Sport in Deutschland wieder präsenter zu machen, halten was sie wollen.

Peter Sobotta, UFC-Kämpfer und einer der Veranstalter der Nova FC, hier im Interview mit ranFIGHTING Quelle: Screenshot YouTube

Ein von ranFIGHTING produziertes Interview mit Sobotta verdeutlicht jedoch erneut die Naivität und Ignoranz, mit der man diese Ambitionen umsetzen will.
Mit dort getätigten Aussagen wie „(…) egal welche politische Ideologie, ob es jetzt rechts oder links ist. Ob man schwarz, weiß, gelb oder grün ist.“, stellt er Kampfsportevents nicht nur fälschlicherweise als unpolitischen Raum dar, sondern verklärt auch die Bedeutung von Kampfsport für die extrem rechte Szene. Denn es macht sehr wohl einen großen Unterschied, ob Neonazis in den Ring steigen, oder nicht – die Ausübung von Macht und Gewalt zur Einschüchterung all jener, die nicht in ihr Weltbild passen, sind schließlich die Kernelemente einer neonazistischen Lebensrealität.

Am nächsten Skandal vorbei gerauscht oder einen neuen Skandal produziert?

Anton Radko, mit einem Tattoo der in Deutschland verbotenen Abwandung der „Odalrune“, daneben ein anderes Tattoo mit der Losung „White Style“. Auf der Wade sieht man eine slawische (verklärte) Darstellung des Hakenkreuzes. Rechts oben die „Odalrune“ im Wapen einer SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision Quelle: Screenshots Facebook

Ursprünglich hätte am kommenden Samstag auch der Ukrainer Anton Radko kämpfen sollen, erzählt Peter Sobotta im Interview dem Online-Sender „ranFIGHTING“ in deren Format „Schlagwort“.
Ihm selbst war in der Vorbereitung auf Radkos Präsentation als Gegener von Mert Özyildirim aufgefallen, dass der Ukrainer auf der Brust eine in Deutschland verbotene Abwandlung der „Odalrune“ tätowiert hat. Sobotta und sein Team hätten „herausgefunden, dass die Nazis das im zweiten Weltkrieg benutzt haben als irgendein Symbol von….was weiß ich… irgend ‘ner Panzerdivision oder irgend so ein Zeug. Also verbotenes Symbol in Deutschland (…)“, so Sobotta im Interview. Tatsächlich war das Symbol der „Othala“, bzw. die „Odalrune“ das Erkennungszeichen der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision „Prinz Eugen“, die vor allem durch ihre Kriegsverbrechen im Partisanenkrieg in Jugoslawien bekannt wurde.
Soweit so gut, könnte man an der Stelle meinen.
Die Konsequenz der Matchmaker der Nova FC war jedoch nicht eine Streichung Radkos von der Fightcard des Events.

„…bisschen Airbrush organisieren“

„(…) wieder Anton angerufen, hey Digger, dein Tattoo geht halt leider nicht hier in Deutschland. Mit Photoshop, ja kein Problem, bisschen Airbrush organisieren. Der quasi vorm Wiegen und vor der Veranstaltung sein Dings zubrusht (…)“, so Sobotta über den „Lösungsvorschlag“, um Radko dennoch auf der Nova FC kämpfen lassen zu können. „Er wusste quasi selbst auch nicht was das Ding in Deutschland bedeutet?“ wurde Sobotta von einem der Moderatoren in Fortgang des Interviews gefragt. „Weiß ich nicht, keine Ahnung. Haben wir nicht gefragt, hab ich nicht gefragt. Also auf jede Fall, wir wussten es nicht (…)“, war Sobottas Antwort auf die Frage.
„Ein Tweety drauf macht (…)“, merkte einer der ranFIGHTING-Moderatoren abgeklärt und so unaufgeregt an, als ob es eine gängige Praxis wäre, damit Neonazis trotz einschlägiger Kennzeichen in den Octagon steigen können.

ranFIGHTING bearbeitet das Interview im Nachgang

Im Laufe unserer Recherchen zu Anton Radko und den getätigten Aussagen Sobottas im Interview mit ranFIGHTING, gehörte es natürlich dazu, das auf YouTube veröffentlichte Video mehrfach zu sichten – allein schon deshalb, um korrekte Zitate verwenden zu können. Konkret entnahmen wir die Zitate aus der Passage des Interviews, in welcher Sobotta über das Matchmaking im Rahmen der Nova FC spricht und erzählt, wie viele Anläufe es gebraucht hat, um einen Gegner für Mert Özyildirim zu finden. Er beginnt seine Erzählung mit der Verpfichtung eines russischen Kämpfers, der sich jedoch zwei Wochen vor der Nova FC einen Cut zugezogen hat und dadurch ausfiel. In der ursprünglichen Version dieses Interviews von ranFIGHTING geht Sobotta dann darauf ein, wie man anstelle des russischen Kämpfer,  Anton Radko verpflichtete. In dem Zusammenhang fällt auch die Aussage, dass man Radkos, in Deutschland verbotene Tätowierung wegtuschiert hatte, um ihn offiziell ankündigen zu können. Diese Passage wurde nun offensichtlich von ranFIGHTING aus dem Video geschnitten. Ein genauer Blick auf das bearbeitete Video zeigt bei Minute 16:46, wie Sobotta einen neuen Satz beginnt. Dann springt das Video. Der Abschnitt über Radko als Kämpfer bei Nova FC fehlt dort gänzlich. Natürlich liegt uns die Originalfassung des Interviews vor. RanFIGHTING muss an dieser Stelle Manipulation vorgeworfen werden. Welches Ziel der Online-Sender damit verfolgte, ist offensichtlich: ranFIGHTING bewirbt seit Wochen die Übertragung der Nova FC und erhofft sich hohe Einschaltquoten. Dabei scheint es der Redaktion umso wichtiger, negative Berichterstattungen zu vermeiden. Die Bearbeitung dieses Interviews dürfte allerdings alles andere als förderlich sein.

Bildbearbeitung – eine gängige Praxis? 

Jakuk Krut’kos tätowiertes Keltenkreuz wurde bei einem Kampf 2018 mit Sportpflastern überdeckt.

Tatsächlich ist das Retuschieren von tätowierten Neonazi-Symbolen, etwa im Rahmen von Ankündigungen der KämpferInnen auf Plakaten, Videos und in den sozialen Netzwerken kein No-Go für Kampfsport-Promoter. So berichteten wir im letzten Jahr über diese Praxis in Bezug auf den tschechischen Neonazi Jakub Krut‘ko, der im April 2018 auf einem Event des „Shuri Fight Club Zwickau“ angetreten war. Dort hatte die Werbeagentur eines von Krut‘kos Tattoos auf den Ankündigungsbildern mehr schlecht als recht per Photoshop „weggewischt“. Beim Kampf selbst hatte Krut‘ko sein Brust-Tattoo – ein in Deutschland verbotenes Keltenkreuz, welches in der extremen Rechten als Erkennungssymbol der „White Power“-Bewegung benutzt wird – mit einem Sportpflaster („Tweety“) überdeckt.

Rechts: Original-Bild, ohne Bildbearbeitung Links: veränderte Version, in dem seine tätowierte „Schwarze Sonne“ nicht mehr erkennbar ist

Vor einigen Wochen berichteten wir außerdem von einem ähnlichen Fall in Ulm. Dort sollte der Neonazi Stephan Planinc vom „Rough Gym“ in Heidenheim auf der Zam-Zam Fightnight in den Ring treten. Planincs unübersehbares Tattoo am Bauch – ein Motiv der „Schwarzen Sonne“, welches aus drei übereinander gelegten Hakenkreuzen besteht – hatte die Werbeagentur auf einem Ankündigungsbild für Planincs Kampf verschwommen aussehen lassen. Offenbar im Wissen um dessen Bedeutung, denn auf einem vorherigen Bild war das Tattoo unbearbeitet abgebildet.
Anders als etwa bei Jakub Krut‘kos Kampf, reagierten die Veranstalter_innen der Zam-Zam Fightnight in Ulm auf unseren Hinweis und strichen den Kampf von Planinc umgehend.

Wäre der Ukrainer Anton Radko nicht verletzungsbedingt aus der Fightcard der Nova FC am Samstag geschieden, wäre mit ihm – neben der Teilnahme des rechten Hooligans Timo Feucht – ein weiterer berichtenswerten Skandal entstanden. Denn Radko hat nicht nur eine in Deutschland verbotene Abwandlung der „Odalrune“ tätowiert, sondern trägt auf seiner Wade eine Abwandlung des Hakenkreuzes, so wie es in der slawischen Mythologie oftmals dargestellt wird. Anhand der zahlreichen Selbstdarstellungen Radkos als „slawischen Krieger“ könnte man dieses Symbol als (verklärte) kultige Inszenierung abtun. Was Radko jedoch mit seinem ebenfalls auf der Brust tätowierten Motiv eines stilisierten Rasiermessers, dazu dem Schriftzug „White Style“, aussagen will, ist Peter Sobotta und seinem Team des Nova FC wohl entgangen. Sobotta selbst weiß von den Darstellungen Radkos in den sozialen Netzwerken, wie er im Interview mit ranFIGHTING erzählt. „Ich persönlich, ich kenn mich nicht aus, ich dachte der ist halt ‘nen Wikinger oder lebt seinen Wikinger-Style (…)„, berichtete Sobotta. Spätestens bei den Symbolen in Radkos Gym „MMA Club Berserk“, die er in den sozialen Netzwerken freizügig zeigt, müssten bei dem Betrachter die Alarmglocken ringen. Riesige, in der slawischen Mythologie als „Sonnenräder“ dargestellte, acht-schenklige Hakenkreuze „zieren“ dort die Wände.

Radko mit Hakenkreuz-Darstellung in seinem Gym und mittig im Trainingslager mit Толян „Тренер“. Ganz rechts: Толян „Тренерs“ Tattoos

Bilder vom April 2018 zeigen Radko außerdem im Trainingslager in Thailand, gemeinsam mit dem extrem rechten Hooligan des FK Dynamo Kyjiw, Толян „Тренер“. Ein „Glück“ für die Veranstalter der Nova FC, Tim Leidecker und Peter Sobotta, dass sie diesen Neonazi nicht ebenfalls zufällig auf ihre Fightcard holten. Dann wären die Kosten für die Airbrush-Retusche sicher höher gewesen, als eventuell anfallende Reisekosten. Schließlich ist Тренерs Körper mit dutzenden Neonazi-Symbolen übersät. Auf seinem Bauch steht in großen Lettern etwa „White Hooligan“ geschrieben, darüber hat er sich die „14 Words“ – eine beliebte Losung der „White Power“-Bewegung – auf die Haut verewigen lassen.

Anton Radko bei einem Kampf 2018, über dem Cage das Banner der neonazistischen Partei „National Korps“; rechts mit Flagge der „National Korps“ im Rahmen eines Wettkampfes, Radko in der Mitte Quelle: Screenshots Facebook

Sobotta und dem Nova FC muss man an der Stelle vorwerfen, ihre KämpferInnen nicht gründlich zu checken. Nur weniger Klicks im Internet bedarf es, etwaige Symbole und Motive der extremen Rechten als solche zu erkennen. Auch Sicherheitsbehörden müssen hierbei in die Verantwortung gezogen werden, denn dem Ukrainer Anton Radko kann auch eine Nähe zur neonazistischen Militäreinheit „Asov“ und dessen parlamentarischen Arm „National Korps“ bescheinigt werden. Bilder aus 2018 zeigen Radko als Kämpfer eines MMA-Events in der Ukraine, welches maßgeblich von den „National Korps“ („Національний корпус”) organisiert wurde. Auch auf Bildern anderer Turniere ist Radko und sein Gym mit Flaggen der „National Korps“ zu sehen. Mehrfach haben wir bereits auf die Vereinnahmung von Kampfsport durch bewaffnete Neonazi-Strukturen in der Ukraine hingewiesen, etwa im Rahmen unserer Berichterstattung zum extrem rechten „Kampf der Nibelungen”-Event im Oktober 2018.

Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Events wie die Nova FC so als deutsches Pendant zur „Ultimate Fighting Championship” (UFC) entwickeln wollen, wie sie es selbst darstellen. Mixed Martial Arts (MMA) in Deutschland in einer Vorzeigerolle präsentieren wollen und sich dabei offensichtlich an KämpferInnen aus der organisierten, gewalttätigen Neonazi-und Hooliganszene zu bedienen ist mehr als nur ein falsches Signal. Kampfsportveranstalter_innen haben eine immense Verantwortung, wenn sich MMA im großen Format in Deutschland, jenseits der Schmuddelecke, etablieren soll. Events wie Nova FC befinden sich schließlich in einer Vorbildfunktion, etwa für weitere MMA-Veranstaltungen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich menschenverachtende Inhalte von der Matte, aus dem Ring oder Octagon zu verweisen.

Wir sagen: Runter von der Matte und kein Handshake mit Nazis!