Informationen und Einschätzungen zum Turnier des „Kampf der Nibelungen“ auf dem „Schild & Schwert“-Festival in Ostritz
Um ein „ultimative Politik Festival“ – wie der Veranstalter das zweitägige Neonazi-Event im April 2018 betitelt – tatsächlich attraktiv wirken zu lassen, muss auch der Aspekt des Kampfsports untergebracht werden.
Dass dafür niemand anderes als die bundesweit bestens vernetzte Neonazi-Kampfsportorganisation „Kampf der Nibelungen“ in Frage kommt, sollte in der extrem rechten Szene spätestens seit Herbst 2017 offensichtlich sein. In Kirchundem in Nordrhein-Westfalen zog das jährlich seit 2013 stattfindende Kampfsportturnier unter dem Label „Kampf der Nibelungen“ an die 800 Neonazis aus ganz Europa an. Ein Novum für solch ein konspirativ organisierte Event im deutschsprachigen Raum und auch ein Zeichen dafür, dass Kampfsport und Fitness nicht nur im gesellschaftlichen Mainstream im Trend liegen, sondern auch in der Neonazi-Szene an Faszination gewinnen konnte.
Funktionäre
Der „Kampf der Nibelungen“, kurz KdN, fungiert nicht nur als Sammelbecken deutscher Neonazis im Bereich Kampfsport, sondern tritt auch mit einem Team europaweit auf Turnieren mit eigenen KämpferInnen an. Zu dem ist der Name markenrechtlich geschützt, eigene Bekleidungsartikel können somit auch vertrieben werden.
Maßgeblich initiiert wurde das Label von dem europaweit einflussreichen „Hammerskin“, Kampfsportler und langjährigen Produzenten neonazistischer Musik, Malte Redeker aus Ludwigshafen. Er war in den ersten Jahren für die Anmietung von Veranstaltungsräumen für das Turnier verantwortlich und ist außerdem als Ringrichter auf den Events tätig.
Neben Redeker dürfte der einschlägig bekannte Dortmunder Neonazi Alexander Deptolla einen nicht unbeachtlichen Teil zur Vermarktung, Vernetzung und Organisation des KdN beitragen.
Er gehörte zum Kern der 2012 verbotenen Kameradschaft „Nationaler Widerstand Dortmund“ (NWDO) und ist heute eng an die Neonazi-Partei „Die Rechte“ in Dortmund gebunden. Diese gilt in Dortmund und Umland auch für weitere ProtagonstInnen des ehemaligen NWDO als Nachfolgestruktur.
Ein weiterer bedeutender Teil der KdN-Struktur wird von Thüringer Neonazis gestellt, die sich selbst als „National Socialist Straight Edge“ begreifen. „Straight Edge“ entstammt ursprünglich der progressiven Punk- und Hardcore-Bewegung der 80er Jahre und lehnt den Konsum von Drogen, Nikotin und Alkohol ab. Neonazis versuchen seit einigen Jahren den „Straight Edge“-Lebensstil mit Werten aus dem historischen Nationalsozialismus zu besetzen. Vor allem Begriffe wie „Gesunder Geist in gesundem Körper“, „Stärke durch Disziplin“ oder „Kampf ist der Vater aller Dinge“ fallen in diesem Kontext.
Die im KdN organisierten Thüringer aus der Neonazis-Straight Edge-Szene sind dabei keine Unbekannten. Vor allem Jörg Henning und Philip Liebetrau können auf eine langjährige Anbindung an die Szene blicken. Beide waren nicht nur in „freien Kameradschaften“ organisiert, sondern auch in Projekten der „Autonomen Nationalisten“ aktiv, wie etwa im Rahmen des Medienprojektes „Media Pro Patria“. Zur NS-Straight Edge-Clique des KdN, die sich selbst „Wardon 21“ nennt, gehört darüber hinaus auch der Österreicher Manuel Eder, der jetzt zeitweise in Sachsen wohnt. Eder und Liebetrau sind auch im RechtRock-Geschehen involviert und spielen gemeinsam bei der NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“. Diese gilt als Aushängeschild der extrem rechten Kampf- und Kraftsportszene und widmete dieser zahlreiche Hymnen. Als „Wardon 21“ sind die Neonazis auf zahlreichen Veranstaltungen im In- und Ausland vertreten und stellten im Juni 2017 das KdN-Team auf einer Neonazi-Kampfsportveranstaltung in Frankreich. Kämpfer dieses Teams war dort im Übrigen der bayrische Aktivist der extrem rechten Kleinstpartei „Der III. Weg“, Kai Zimmermann.
International vernetzt
Für das Verständnis der Struktur und Vernetzung die hinter solch Veranstaltungen steht, dürfte auch die Teilnahme russischer Neonazis um das Trainingsprogramm „PPDM-Father Frost“, etwa an dem Event in Frankreich 2017, von Interesse sein. Diese Gruppe gilt als Vordenker für „Wardon 21“ und versteht sich ebenfalls als „NS-Straight Edge“. Dass diese Vernetzung Synergie-Effekte freisetzte beweist eine Reise u.a. von Philip Liebetrau im Winter 2017/2018 nach Finnland, wo gemeinsam mit den russischen Neonazis ein sogenanntes Motivationsvideo produziert wurde.
Inhaltlich dreht sich das Video zu dem um die Rolle der „Volksgemeinschaft“, die europäische Identität und die Notwendigkeit den Körper zu trainieren, sich wehrhaft zu machen, um sein Land gegen „Fremde“ verteidigen zu können.
Außerhalb der Russland-Kontakte ist der „Kampf der Nibelungen“ zudem eng an das französische Klamotten-Label „Pride France“ angebunden, welches von Tomasz Skatulski ins Leben gerufen wurde. Skatulski ist selbst aktiver Kampfsportler und trat in den letzten Jahren fast ausschießlich auf Neonazi-Turnieren in ganz Europa auf. Er wird dem Spektrum der französischen „Blood & Honour – Division Hexagone“ zugerechnet.
Ähnlich funktioniert auch die russische Kampfsport-Marke und Promotion „White Rex“. Sie gilt europaweit als wichtigste ihrer Art und kann als treibende Kraft innerhalb der Vernetzung von Neonazis im Kampfsport gesehen werden. Der fließend deutsch sprechende Kampfsportler, Hooligan und Gründer von „White Rex“, Denis Nikitin, veranstaltete in Russland nicht nur selbst Turniere mit bis zu 1500 BesucherInnen, sondern ist auch als Moderator auf unzähligen rechten Events in Italien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Polen und Griechenland anzutreffen. 2017 hielt er darüber hinaus einen Vortrag im Rahmen einer NPD-Veranstaltung in Anklam, Mecklenburg-Vorpommern. Nur wenige Monate zuvor betätigte er sich als Redner auf dem „Rock gegen Überfremdung II“ in Themar, zu dem bis zu 6000 Neonazis anreisten.
RechtsRock, Bier und Boxen
„Wenn bei vielen tausend Teilnehmern nur einige wenige sagen ‚Klasse, da will ich auch dazu gehören dürfen, ich fange an zu trainieren‘ oder einige der alten Kämpfer sich sagen ‚Mist, ich muss wieder anfangen Sport zu treiben‘ hat sich der ganze Aufwand schon gelohnt! (…)“
– Zitat „Schild & Schwert“ auf ihrer Facebook-Präsenz in Bezug auf das KdN-Turnier
Es dürfte nicht ganz einfach gewesen sein, die Organisationsstruktur des „Kampf der Nibelungen“ dafür zu gewinnen, ein Turnier auf einem Festival auszurichten, welches generell von Konsumverhalten bestimmt wird. Sei es in Bezug auf sicherlich exzessiven Alkoholgenuss, während von der Bühne der übliche RechtsRock hallt, oder im Zusammenhang mit den zahlreich angekündigten extrem rechten Verkaufsständen. Ein Turnier des KdN, eingebettet in RechtsRock-Konzerte, ist zudem eine Prämiere. Bisher begnügten sich die deutschen VeranstalterInnen mit einem reinen Kampfsportturnier, anders als im europäischen Ausland, wo nach den Turnieren regelmäßig Konzerte stattfanden. Das Turnier in Ostritz ist somit ein Experiment und wird im Nachgang zeigen, wie erfolgreich sich der Sport und die Erlebniswelt RechtsRock miteinander in Deutschland verknüpfen lassen.
Die Teilnahme des KdN an dem Festival am 21. April in Ostsachsen dürfte schlußendich einzig der Person Thorsten Heise verschuldet sein, der Hauptorganisator des Festivals. Er gilt trotz seiner Zugehörigkeit zur umstrittenden NPD innerhalb der Neonazi-Szene als athentische, integre Persönlichkeit und unterhält beste Verbindungen zu dem in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerk. Darüber hinaus ist auch der Dortmunder Ableger der Neonazi-Partei „Die Rechte“ durch deren Bundesvorsitzende Sascha Krolzig und Michael Brück als Redner vertreten. Letzteret ist ein langjähriger Wegbegleiter von KdN-Führungsperson Alexander Deptolla und enger Vertrauter von Christoph Drewer. Drewer war in den letzten Jahren Kämpfer auf den KdN-Turnieren und besetzt seit 2014 das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden von „Die Rechte“. Eine Teilnahme Drewers als Kämpfer an dem Turnier in Ostritz ist dadurch sehr wahrscheinlich.
Bedeutung
Die Zusage des KdN am Festival ist letztlich auch ein Ausdruck dafür, eine „Nationale Einheit“ zu demonstrieren. Genauso wie eine europäische Identität vermitteln werden soll, in dem man bewusst Neonazis aus dem benachbarten Ländern Polen und Tschechien einbezieht. Die „paneuropäische Idee“, d.h. eine europäische Gemeinschaft, ein „Europa der Vaterländer“, griff schon „White Rex“-Zugpferd Denis Nikitin frühzeitig auf. Die Zeit des Chauvinismus solle enden, schließlich müsse man gemeinsam eine europäische Identität verteidigen, so der Ansatz der Neonazis.
Ausblick
Der „Schild & Schwert“-Verantwortliche Heise kündigte bisher an, dass im Rahmen des Turniers des „Kampf der Nibelungen“ Kämpfer aus Russland, den USA und aus ganz Europa gegeneinander antreten werden. Das ganze solle in rund zehn Kämpfen stattfinden, also recht minimiert, bedenkt man dass der tatsächliche „Kampf der Nibelungen“ im letzten Jahr über 20 Kämpfe beinhaltete.
Sicher ist bisher nur die Teilnahme des französischen Neonazis Tomasz Skatulski als Kämpfer. Er wird darüber hinaus mit einen Verkaufsstand seiner Marke „Pride France“ vertreten sein. Viele der T-Shirts in Frankreich dürften allerdings in Franreich zurück bleiben, sind doch Aufschriften wie „HTLR – Meine Ehre heißt Treue“ in Deutschland strafbar.
Einen ähnlichen Stand wird nict nur der „Kampf der Nibelungen“ betreiben, sondern auch die extrem rechte Cottbuser Kampfsport-Marke „Black Legion“ um den Sänger der RechtsRock-Band „Hausmannskost“ und Betreiber von „Rebel Records“, Martin Seidel. „Black Legion“ stellte 2017 beim KdN auch ein eigenes Team, welches aus der Cottbuser Neonazi-und Hooliganszene rekrutiert wurde. Ein Auftritt des Brandenburger Neonazis Lucien Schönbach als Kämpfer in Ostritz ist demnach nicht unwahrscheinlich. In der Vergangenheit kämpfte er unter dem Label von „Black Legion“, wurde aber auch als Mitglied des „Team Greifvogel“ vorgestellt, zu dem auch Stefan Baer und andere Personen aus der Lübbener Neonazi-Kampfsportgruppe „Northsidecrew“ gehören.
„Greifvogel Wear“ wird offiziell nicht auf der sogenannten „Strasse der Bewegung“, der Einkaufmeile des Festivals, vertreten sein. Deren Hintermänner, Sebastian Raack von „OPOS Records“ aus Lindenau und Manuel Eder von „Wardon 21“, dürften trotzdem ihre Finger im Spiel haben, denn schließlich ist „Greifvogel Wear“ sowohl an das russische Neonazi-Label „White Rex“ angebunden, als auch an den KdN als Organisation. Seit einigen Jahren sponsert „Greifvogel Wear“ den „Kampf der Nibelungen“.
Da es eine freie Anmeldung zu dem Turnier in Ostritz gab, sind auch andere Kampfsportler der organisierten Neonazi-Szene denkbar, die sich im Rahmen des KdN bisher unauffällig verhielten. Etwa Lucas Hartmann aus den Reihen der sächsischen „Jungen Nationalisten“, der Jugendorganisation der NPD. Er kämpfte bereits im Rahmen des „4. Pro Patria Fightclub“ im März 2018 in Athen, Griechenland. „Pro Patria“, welches stark mit die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“ verbunden ist, war auch auf zahlreichen mitteleuropäischen Veranstaltungen vertreten, etwa im Juni 2017 in Frankreich, gemeinsam mit einer Deligation des KdN.
Wenn im Rahmen der Ankündigungen seitens Heises von „russischen Kämpfern“ die Rede ist, wird damit sehr wahrscheinlich Denis Nikitin und sein Team um „White Rex“ gemeint sein. Beim KdN 2016 wurde dieses Team durch Alexander Kobanov vertreten, während Nikitin als Trainer fungierte.
Auch in Tschechien floriert die Neonazi-Kampfsportszene und kann weitaus offener als in Deutschland agieren. Eine Teilnahme des „White Rex Czech Teams“, vertreten durch Lukáš Rod, Petr Beránek und Vít Mrákota, ist ebenso durchaus denkbar.
Tatsächliche Kampfpaarungen bleiben jedoch reine Spekulation, vor allem weil das Turnier nur im Rahmen der KdN-Promotion organisiert wird. Der eigentliche „Kampf der Nibelungen“ soll wie gewohnt im Herbst 2018 stattfinden. Das Prestige auf dem Turnier in Ostritz zu kämpfen dürfte dadurch ebenfalls sinken.
Der unumgängliche Disput, den die Veranstalter des KdN mit Thorsten Heise Anfang März 2018 gehabt haben müssen, muss wohl versteckt vor der Öffentlichkeit stattgefunden haben. Denn während einer Ortsbegehung des Festivalgeländes in Ostritz fanden die Behörden 32 Tonnen nicht-verzollten Tabak, verpackt in Kisten, die ein Mieter auf dem Gelände des Hotel „Neißeblick“ gelagert hatte. Das vielfach gepriesene Ideal des „gesunder Volkskörpers“ könnte so nun in der Vermarktung brüchig werden und bestimmte Teile der extrem rechten Kampfsportszene vergrault haben. Zu groß ist das Ego und zu elitär ist die Aufmachung, als dass sich die NS-Straight Edge-Abspaltung der Szene um „Wardon 21“ und „Greifvogel Wear“, dort wohl fühlen kann. Vielmehr könnte die „Hammerskin“-Struktur des KdN um Malte Redeker und Alexander Deptolla – die bereits im Sommer 2017 durch ein exzessives Saufgelage auf Mallorca in die Schlagzeilen gerieten – das Sparprogramm in Ostritz wählen, anstatt die Beteiligung gänzlich abzusagen. Denn nichts desto trotz geht es auch darum, ein Stück vom Kuchen ab zu bekommen der sonst größtenteils in die Töpfe von NPD und „Blood & Honour“ wandern wird.
Die Attraktion eines solches Turniers auf die heutige, sich progressiv gebende Neonazi-Szene wird dennoch nicht ausbleiben. Zu groß ist der Drang sich als Kämpfer und Kämpferinnen zu profilieren und sich als „wehrhafte Elite der Volksgemeinschaft“ darstellen zu können. Die Gefahr – vor allem am Samstag, dem Tag des Turniers – dass das Kampfsportevent eine gewaltaffine Mischszene aus extrem rechten Hooligans, Ultras und Kampfsportlern anziehen wird, bleibt. Das von den Veranstaltern gesteckte Ziel, Kampfsport stärker in die rechte Erlebniswelt einzubinden, wird wohl trotz aller Querelen und Widersprüche ebenfalls aufgehen.