Aktivitäten der extrem rechten Kampfsportszene in Deutschland – Rückblick & Ausblick

v.l.n.r.: David Mallow, Alexander Deptolla und Thorsten Heise auf dem „Schild & Schwert-Festival“ im November 2018 in Ostritz (Quelle: Flickr Endstation Rechts)

Nachdem wir uns vor einigen Wochen in einer längeren Auswertung mit dem Neonazi-Kampfsportevent „Pro Patria Fest“ in Griechenland befasst haben und auf die dortige Beteiligung deutscher Strukturen um den „Kampf der Nibelungen“ (KdN) eingegangen waren, möchten wir im Folgenden die zurückliegenden Aktivitäten der Szene betrachten, sowie über anstehende Events in Deutschland informieren. Dabei gehen wir rückblickend auf das KdN-Event im Rahmen des extrem rechten „Schild & Schwert-Festivals“ im November 2018 in Ostritz, auf die Beteiligung des KdN auf Events im Ausland, sowie das „Selbstverteidigungsgseminar“ des KdN im März 2019 ein und werden u.a. das anstehende „Tiwaz“-Turnier im Juni skizzieren.

Show-Kampf statt „Teamfights“

Nur wenige Wochen nach dem Hauptevent des „Kampf der Nibelungen“ am 13. Oktober 2018, wollte das Team des KdN, im Rahmen des extrem rechten „Schild & Schwert-Festivals“ am 2. November, erneut eine Kampfsport-Gala ausrichten. In großen Tönen kündigte man in den sozialen Netzwerken im Vorhinein an, sogenannte „Teamfights“ durchführen zu wollen. In der Presse hatte es dazu zahlreiche Diskussionen gegeben, u.a. darüber, ob diese „Teamfights“ überhaupt legal seien, denn schließlich treten mehrere Personen im Ring gegeneinander an. Da der KdN nachweislich keinem Verband angehört, verlassen sich vor allem die Behörden einzig auf die Darstellung der Neonazis selbst, dass man nach einem Regelwerk kämpfen würde. Eine Grauzone also, denn andernfalls wären die „Teamfights“ mit Hooligan-Kämpfen vergleichbar, die laut diverser Gerichte strafbar sein können – den Beteiligten solcher verabredeter Kämpfe kann die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen werden.

Team „Barbaria Schmölln“ auf dem KdN-Event im November 2018 in Ostritz; Oben 2.v.l.: Thore Probst; unten links David Hasenkrug, rechts daneben Martin Langner (Quelle: Screenshot Facebook)

Zu „Teamfights“ kam es am 2. November in Ostritz nicht. Auch haben keine sonstigen Kämpfe stattgefunden, wie man aus den sozialen Netzwerken erfuhr. Vielmehr wurden in einem improvisierten Rahmen Show-Kämpfe gezeigt, um den rund 400 teilnehmenden Neonazis wenigstens irgendetwas bieten zu können. Bei einem der Showkämpfer handelte es sich um Martin Langner vom extrem rechten Gym „Barbaria Schmölln“ aus Thüringen. Der K1-Kämpfer hatte schon im April 2018 im Rahmen des ersten „Schild & Schwert-Festivals“ im Ring gestanden.
Unterstützung bekam Langner am 2. November u.a. von dem umtriebigen Neonazi David Hasenkrug aus Chemnitz. Hasenkrug war schon im Oktober 2018 einer der Coachs des „Tiwaz“-Team auf dem KdN in Ostritz.
Im Team „Barbaria Schmölln“ fand man am 2. November zudem den Chemnitzer Neonazi und Kampfsportler Thore Probst. Er wird der rechten Chemnitzer Hooliganszene um die Gruppe „Kaotic“ zugerechnet, sowie dem Orga-Team des rechten Kampfsportevents „Tiwaz“. Gemeinsam mit dem Hauptakteur des „Tiwaz“, Tim Kühn, arbeitet Probst bei der Sicherheitsfirma „S3-Security“ in Chemnitz. Tatsächlich brisant ist außerdem, dass Probst‘ Mutter, Antje Probst, in den 90ern ein führendes Mitglied des sächsischen „Blood & Honour“-Ablegers war – das engste UnterstützerInnen-Umfeld des NSU.

Nils Budig, bei der Anreise zum KdN-Event am 2. November 2018 in Ostritz (Quelle: Pixelarchiv)

Das KdN-Team selbst war im November nur mit wenigen Kern-Mitgliedern anwesend. So reiste etwa der „Hammerskin“ Nils Budig an, sowie Alexander Deptolla und Philipp Liebetrau. Liebetrau stand an dem Abend außerdem mit der NS-Hardcore-Band „Terrorsphära“ auf der Bühne. Es soll, laut eigenen Aussagen, das letztes Konzert der Band in Deutschland gewesen sein. Man wolle nur nur auf Kampfsport-Veranstaltungen auftreten, bevorzugt im Ausland.

Eigendarstellung des „Aktionsblog“ aus Rostock auf dem KdN-Event am 2. November 2018 in Ostritz (Quelle: Twitter Henrik Merker)

Auch David Mallow aus Rostock nahm an dem Event am Freitag in Ostritz teil. Er betreute dort den Stand des „Aktionsblog“ – eine gewalttätige Neonazi-Gruppierung aus Rostock und Umgebung, die seit einiger Zeit mit „Baltik Korps“ eine eigene Kampfsportgruppe unterhält. Auf selbst gezeichneten Plakaten stellte der „Aktionsblog“ in Ostritz seine Aktivitäten vor, darunter u.a. die „Leibeszucht“. Mallow ist zudem Teil der „KdN-Kampfgemeinschaft“ und trat für das Team mehrmals in den Ring.

Unter den Teilnehmenden des Events fand man auch Julian Menzel aus Bautzen. Er kämpfte schon auf rechten Events wie dem „Tiwaz“-Turnier im Juni 2018 und auf dem KdN im Oktober 2018.

Julian Menzel (1.v.r.) aus dem Raum Bautzen bei der Anreise zum KdN-Event am 2. November 2018 in Ostritz (Quelle: Pixelarchiv)

Aus Ungarn war darüber hinaus Suhajda „Starec“ Zoltan angereist, der seit längerem als Kämpfer auf diversen Neonazi-Events bekannt ist. Eine Mitfahrgelegenheit fand er offensichtlich bei Musikern der ungarischen NS-Hardcore-Band „Feher Törveny“, die am Abend des 2. November spielten.

Da es uns vor allem um eine Milieu-Beschreibung geht, verzichten wir an dieser Stelle auf Vollständigkeit in Bezug auf die Nennung aller Neonazis, die an dem Event teilnahmen und die wir der extrem rechten Kampfsportszene zuordnen. Informierten Leser_innen dürfte bewusst sein, dass die Verbindung von NS-Hardcore und Kampfsport eben ein bestimmtes Publikum anzieht – vor allem durch die Selbstdarstellung von Bands wie „Terrorsphära“ als musikalisches Sprachrohr der neonazistischen Kampf-und Kraftsportszene.

Dass das KdN-Event am ersten Tag des RechtsRock-Festivals nur mäßig besucht war und das KdN-Team ein vergleichbar „dünnes“ Programm auf die Beine stellte, kann auch an einer Übersättigung des Angebots gelegen haben. Schließlich hatte die rechte Kampfsport-Promotion KdN mit Hilfe des internationalen Netzwerks kurz zuvor ihr Hauptevent mit bis zu 700 TeilnehmerInnen organisiert. Im Ring standen dort um die 40 Neonazis aus dem In-und Ausland. Auch wenn damit sicher nicht die gesamten Kapazitäten der rechten Kampfsportszene – sowohl an ZuschauerInnen als auch an Kämpfenden – ausgeschöpft waren, dürfte der KdN dennoch am organisatorischen Limit gewesen sein. Nicht alle der kämpfenden Neonazis stehen schließlich ständig im Training, sind verfügbar oder sind gewillt zu kämpfen. Dass von Seiten des KdN keine Auswertung ihres Events am 2. November erfolgte, spricht für unsere Annahme, dass man sich mit der Organisation zweier so eng beieinander terminierter Events schlicht übernommen hatte. Der KdN ist kein Event ähnlich eines Franchise-Unternehmens, das von unterschiedlichen Personen zu jeder Zeit bedient werden kann. Es ist bisher immer noch eine Struktur, die im Kern von nur wenigen AkteurInnen getragen wird, auch wenn diese stetig bemüht sind ihr Netzwerk weiter auszubauen.

Einschwören und Austauschen
Aktivitäten des KdN zwischen November 2018 und März 2019

In den Monaten nach der Kampfsportveranstaltung des KdN im November 2018 in Ostritz fanden vor allem Treffen statt, die zur Selbstvergewisserung der Struktur beitragen sollten.

„Jahresabschlussfeier“ des KdN und „Wardon 21“ im November 2018 in Eisenach. V.l.n.r.: Manuel Eder, Jörg Henning, Lukas Oertel, Unbekannt, Stefan Wedekind, Heiko Drews, Marina Liszczeweski, Jim Koal, Franz Pauße, Philipp Liebetrau, Alexander Deptolla und Philipp Oertel (Quelle: Screenshot Facebook)

Etwa die Ausrichtung einer „Jahresabschlussfeier“ in den Räumen des von der NPD betriebenen „Volksfliederhaus“ in Eisenach (Thüringen) am 30. November 2018. Gemeinsam mit der eng an den KdN angebundenen Plattform „Wardon 21“ wurde dort das Jahr resümiert und sich u.a. zum Ziel gesetzt, die „Arbeit stetig zu verbessern und zu professionalisieren“, wie es später auf der Webpräsenz des KdN hieß.

Philipp Liebetrau (links) mit einem Mitglied der Gruppe „PPDM-Father Frost“ in Moskau im Dezember 2018 (Quelle: Screenshot Facebook)

Nur kurze Zeit nach dieser Feierlichkeit nahm der KdN, vertreten durch Philipp Liebetrau, in Moskau (Russland) an der Premiere des extrem rechten Kampfsportevents „Hammer of Will – Fight“ am 9. Dezember 2018 teil. Organisiert wurde das Event, an dem bis zu 150 Personen teilnahmen, von der rechten Trainingsgruppe „PPDM – Father Frost Mode“ aus Russland. Die Gruppe ist eigentlich vorrangig im Kraftsport-Bereich zu finden.
Die Durchführung einer solchen Veranstaltung ist in Hinblick auf den europäischen Trend, eine rechte Kampfsportszene durch eigene Events zu vereinen, kein Novum. Ob die russische Neonazi-Gruppe damit versucht in die Fußstapfen von Denis „Nikitin“ Kapustins „White Rex“-Turnieren zu treten, wird sich noch zeigen. Überschneidungen sind jedoch jetzt schon erkennbar. Denn während Tomasz Szkatulski, Inhaber der französischen Neonazi-Marke „Pride France“, am 9. Dezember 2018 in den Ring stieg, war der russische Schauspieler Sergey Badyuk dort einer der Ehrengäste und hielt eine Rede. Schon auf den „Duh Voina“-Events von „White Rex“ fungierte Badyuk als Ringsprecher – damals bekleidet mit einer Kutte des „Hells Angels MC“.

Einen weiteren Ort des Austauschs fand die rechte Kampfsportszene am 19. Januar 2019 in Sofia (Bulgarien), als dort der „NS Fightclub“ zu einer seiner regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen einlud. Man werde dort keinen Kämpfer in den Ring schicken können, so der KdN im Vorfeld, das Event aber nutzen, um Kontakte zu knüpfen. Mindestens zwei Personen vom KdN-Team nahmen schließlich an dem Event in Sofia teil.
Diese Verbindungen manifestieren sich auch außerhalb der rechten Kampfsport-Events, denn schließlich nehmen Teile der Dortmunder Struktur um den KdN und der Neonazi-Partei „Die Rechte“ seit Jahren etwa an dem NS-verherrlichenden „Lukov-Marsch“ teil, der jährlich im Februar in Sofia ausgetragen wird. Anders herum schickt der „NS Fightclub“ Kämpfer nach Deutschland, um beim „Kampf der Nibelungen“ anzutreten.

Förderung der Wehrhaftigkeit
– das Selbstverteidigungs-Seminar des KdN im März 2019

Eine Urkunde für das „Selbstverteidigungsseminar“ des KdN im März 2019 (Quelle: Screenshot Facebook)

Für den 23. März 2019 wurde für den Raum „Ruhrgebiet“ ein Selbstverteidigungs-Seminar angekündigt, bei dem Grundlagen in „Selbstverteidigung, Straßenkampf und klassischem Kickboxen“ vermittelt werden sollen. Als offizieller Veranstalter trat der „Kampf der Nibelungen“ in Erscheinung. Das Seminar fand letztendlich in den Räumlichkeiten von „Sports Vital Plus“ in Castrop-Rauxel (NRW) statt. Die ca. 25-30 Teilnehmenden wurden nach vorheriger Anmeldung über einen Schleusungspunkt zu dem Veranstaltungsort gelotst.

In die Organisation waren maßgeblich bekannte Personen aus dem Dortmunder KdN-Netzwerk und den dortigen Strukturen um die Neonazi-Partei „Die Rechte“ eingebunden. So war Alexander Deptolla als Ansprechperson für die Teilnehmenden zuständig, während Christian Meier den Schleusungspunkt betreute. Neben den Mitgliedern des KdN-Team, Franz Pauße (früher Dortmund jetzt Thüringen) und Marina Liszczewski, war auch Daniel Grebe vor Ort. Grebe wurde 2015 zu einer 22-monatigen Haftstrafe ohne Bewährung wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte verurteilt.
Die Teilnehmenden waren überwiegend aus Nordrhein-Westfalen angereist. So u.a. aus den Regionen Aachen, Neuss, Moers, Köln, Wesel, Wuppertal oder Wanne-Eickel. Aber auch aus dem Landkreis Wolfenbüttel (Niedersachsen), Rostock und aus Bern in der Schweiz fanden Neonazis den Weg ins Ruhrgebiet.

Dennis Schulz, einer der Teilnehmer des KdN-Seminar, hier in Merchandise von „White Rex“ (Quelle: Screenshot Facebook)

An dem „Selbstverteidigungsseminar“ hat unter anderem Dennis Schulz aus dem Rhein-Kreis Neuss (NRW) teilgenommen. Schulz gehört zum „Chapter Düsseldorf“ der „Road Crew 24“ (RC 24). Die „RC 24“ ist als eine Art Fanclub der mittlerweile aufgelösten RechtsRock-Band „Barking Dogs“ gegründet worden. Zeitweise unterhielt die „Road Crew“ Ableger („Chapter“) in verschiedenen Städten in NRW sowie in der Steiermark (Österreich) und inszenierte sich als eine Art rocker-ähnliche Bruderschaft. Schulz, der sich auch im direkten Umfeld der rechts-offenen Hooligan-Gruppe „Bushwhackers“ von Fortuna Düsseldorf bewegt, betreibt seit längerer Zeit Kampfsport.

Beim Training: Sebastian Matuszak (rechts) zusammen mit dem jüngst wegen Drogenhandel verurteilen Aachener Neonazi Timm Malcoci (Quelle: Screenshot Facebook)

Mit dem aus Alsdorf bei Aachen kommenden Sebastian Matuszak nahm außerdem ein umtriebiger Akteur der nordrhein-westfälischen NS-Black-Metal-Szene an dem Seminar teil. Matuszak wirkt unter dem Namen „Ulvre“ als Schlagzeuger in den NS-Back-Metal Bands „Carpathian Wolves“ und „Ad Arma“ mit. Er trat darüber hinaus als Werbeträger für das Neonazi-Kampfsportlabel „Greifvogel Wear“ auf.

Doch nicht nur Männer nahmen an dem Seminar des KdN teil. Neben der bereits erwähnten Marina Liszczewski aus dem KdN-Team, reiste auch Patricia Hardt aus dem Raum Wesel an.
Aus Rostock war zudem Guido Howald vor Ort.

Guido Howald, einer der Teilnehmer des Seminars und Mitglied der „Baltik Korps“ (Quelle: Screenshot Instagram)

Ursprünglich stammt der Neonazi aus Salzwedel, wo er Kontakte zu den rechts-offenen Rockern des dortigen Chapters der „Red Devils“ pflegte – ein Unterstützer-Club des „Hells Angels MC“. Später zog Howald nach Rostock, wo er bis heute beste Verbindungen zum lokalen Ableger des „Hells Angels MC“ um Mirko Appelt unterhält. Auch die Dortmunder Neonazis Alexander Deptolla und Christoph Drewer besuchen Howald und Appelt regelmäßig in Rostock, während Howald selbst oft beruflich in Dortmund zu Gange ist. In Rostock betätigt sich Howald unter anderem als Security, gehört der Neonazi-Gruppierung „Aktionsblog/Nationale Sozialisten Rostock“ an und betätigt sich in deren rechten Kampfsport-Gruppe „Baltik Korps“.

Von Seiten des „Kampf der Nibelungen“ werden für die Zukunft weitere Selbstverteidigungsseminare in dieser Form angekündigt. Auch wenn es das erste, explizit aus dem KdN-Netzwerk organisierte „Selbstverteidigungsseminar“ war, ist das Format innerhalb der neonazistischen Szene nicht neu. So war in der Vergangenheit insbesondere „White Rex“-Gründer Denis „Nikitin“ Kapustin ein gern gesehener Gast bei „Selbstverteidigungsseminaren“ der extremen Rechten in ganz Europa. In Deutschland leitete Kapustin solche Kampfsport-Trainings bspw. im Mai 2017 in Mecklenburg-Vorpommern oder im November 2017 im Raum Braunschweig, die von den NPD-Parteijugend „Junge Nationalisten“ (JN) organisiert worden waren. Diese Trainings dürfen nicht als Selbstverteidigungsseminare oder „Sportveranstaltungen“ verstanden werden, sondern vielmehr als Vorbereitung der extremen Rechten auf den selbsternannten „Kampf um die Straße“.

Wiederkehr und Verfestigung
– das „Tiwaz“, Events des „Kampf der Nibelungen“ und „Jugend im Sturm“

Zum zweiten Mal soll am 8. Juni 2019 das extrem rechte Kampfsportevent „Tiwaz“ in Sachsen ausgetragen werden. Schon im April diesen Jahres veröffentlichte das Format über die sozialen Netzwerke ein mehr peinlich als martialisch wirkendes Mobilisierungsvideo. Einsam und mit Sturmmaske vermummt kickt dort der Protagonist wahlweise gegen morsche Bäume, übt sich in Liegestützen im Schnee und präsentiert an einer Landstraße mitten im Nirgendwo u.a. sein „Können“ im Schattenboxen.
In den Disziplinen K1, Boxen und MMA (Mixed Martial Arts) sollen im Juni bis zu 10 Kämpfe ausgetragen werden – wie im letzten Jahr unter konspirativen Umständen. Die Logistik und Organisation des „Tiwaz“ läuft wie im letzten Jahr über die Neonazi-Strukturen in Chemnitz und Umland – maßgeblich über Neonazis wie Tim Kühn, der sowohl in der rechten Hooliganszene, wie auch in klassischen Kameradschaftsbezügen vernetzt ist.

Der Tostedter Neonazis André Bostelmann (Quelle: Screenshot Facebook)

Bisher ist bekannt, dass André Bostelmann aus Tostedt (Niedersachsen) und der Franzose Tomasz Szkatulski in den Ring treten wollen, wie auch Julian Menzel aus dem Raum Bautzen (Sachsen).

Unterstützung findet das „Tiwaz“ von allen relevanten, extrem rechten Kampfsport-Marken und Formaten: „Sonnenkreuz Versand“ von Frank Kraemer, „Wardon 21“, „Black Legion“ aus Cottbus, „AG Körper & Geist“ von der Neonazi-Partei „Der III. Weg“, „PC Records“ von Yves Rahmel aus Chemnitz, „Pride France“, „Greifvogel Wear“ und natürlich dem „Kampf der Nibelungen“. Ob „White Rex“, wie auf den Flyern angekündigt, auch vertreten sein wird, wird sich zeigen. Dass dort nicht unbedingt Denis „Nikitin“ Kapustin im Namen von „White Rex“ auftreten muss, legt die veränderte Vertriebsstruktur der Marke in Europa nahe. Schließlich wird das Label spätestens seit 2017 aus der Schweiz betrieben, genauer gesagt von Florian Gerbers „Fighttex AG“. Gerber, Voll-Mitglied der Neonazi-Bruderschaft „Hammerskins“ und Führungsperson der extrem rechten „Partei National Orientierter Schweizer“ (PNOS), pflegt schon seit einigen Jahren gute Beziehungen zu Kapustin, der für die PNOS mehrmals Selbstverteidigungs-Workshops gab.

Ebenfalls im Juni 2019 soll das dritte, extrem rechte „Schild & Schwert Festival“ in Ostritz (Sachsen) stattfinden. Wie bei den vergangenen Events dieser Konzertreihe in 2018, kündigte der „Kampf der Nibelungen“ erneut an, dort ein Turnier abhalten zu wollen. Dafür suche man nicht nur Personen für Einzelkämpfe, sondern auch Teilnehmer für sogenannte „Teamfights“, hieß auf der Webpräsenz des KdN. Das zweitägige Neonazi-Event am 21. und 22. Juni dürfte auch dahingehend brisant werden, da Veranstalter Thorsten Heise dort seinen 50. Geburtstag feiern wird. Somit wird Ostritz erneut zum Sammelplatz und Ort des Austauschs zwischen rechter Kampfsportszene, RechtsRock-Milieu und militanter Strukturen wie „Combat 18“ und „Hammerskins“ – während die zu erwartenden, zahlenmäßig im vierstelligen Bereich liegenden BesucherInnen Gelder in die Kassen einspülen.

Kleiner und bewusst elitär soll dagegen das zweite „Jugend im Sturm“-Fest der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ am 6. Juli 2019 sein. Wie im letzten Jahr in Kirchheim (Thüringen), soll neben RechtsRock auch in diesem Jahr eine Kampfsportveranstaltung geboten werden. Kampfsportler sind in den Reihen der Partei schließlich zu Genüge zu finden und unterhalten mit der parteieigenen „AG Körper & Geist“ eine Art Team. Zu erwähnen sind dabei vor allem die dort organisierten rechten Kampfsportler Kai-Andres Zimmermann aus Fürth (Bayern), sowie Michél Sajovitz und Marco Münzer vom „Stützpunkt Mittelsachen“ der Partei aus dem Raum Chemnitz. Alle drei nahmen an zahlreichen Wettkämpfen der extrem rechten Kampfsportszene teil.
Dass am 6. Juli in Thüringen auch das RechtsRock-Festival „Tage der nationalen Bewegung“ (TdnB) stattfinden soll, dürfte sicher für einigen Unmut in der Szene sorgen. „Der III. Weg“ musste sich schon in der Vergangenheit den Vorwurf gefallen lassen „die Szene zu spalten“. Das Konzept des „Jugend im Sturm“-Fest dient jedoch vor allem zur Selbstvergewisserung der eigenen Strukturen, während das RechtsRock-Konzert in Themar ein Publikum aus allen Schichten der extremen Rechten ansprechen soll.

Ausblick

Die deutsche und europäische Kampfsportszene wächst stetig und manifestiert sich in eigenen Wettkämpfen, Treffen und Events. Vor allem der „Kampf der Nibelungen“ dürfte seit letztem Jahr an Aufwind und Einfluss gewonnen haben. Es scheint, dass die VeranstalterInnen an Selbstsicherheit gewonnen haben, auch aufgrund der Reichweite ihres Hauptevents im Oktober 2018. Welche Rolle „White Rex“ innerhalb der internationalen „Kampfgemeinschaft“ in Zukunft spielt, wird sich noch zeigen. Denn seit Oktober 2018 ist es relativ ruhig geworden um Denis „Nikitin“ Kapustins Label und Promotion. Dagegen hat sich der KdN zu einer eigenständigen Struktur entwickelt und spielt nun selbst die Rolle, in der „White Rex“ in den Jahren 2012/2013 steckte. Der KdN ist zum Ideengeber avanciert und stellt heute den Knotenpunkt des rechten Kampfsport-Netzwerkes in Westeuropa dar. Diese erlangte Selbstsicherheit lässt sich auch anhand der Ankündigung des KdN-Hauptevents für den Herbst 2019 erkennen. Statt auf einen sicheren Ort wie die Neonazi-Immobilie in Ostritz als Austragungsort zu setzen, sind die OrganisatorInnen bemüht, eine andere Location zu finden. Auch an diesem, noch unbekannten Ort, soll das Event offiziell ausgetragen werden – ein Ausdruck dafür, dass die Szene scheinbar weder behördliche Einschränkungen, noch relevanten Protest aus der Zivilgesellschaft zu befürchten hat.

Unter der Schirmherrschaft des KdN versammeln sich zudem Projekte wie „Wardon 21“, die einen ideologischen Unterbau der Szene forcieren. Und während der KdN europaweit Einfluss nimmt, setzen lokale Strukturen hier und da Akzente, rufen Trainingsgruppen ins Leben und fördern damit den Trend innerhalb der Szene, sich „wehrhaft“ zu machen.

Bildmitte, mit Wahlplakat der Neonazi-Partei „Der III. Weg“: Martin Langner (Quelle: Flickr Tim Mönch)

Die rechte Kampfsportszene und neonazistische Akteure auf der Straße beeinflussen sich gegenseitig und entwickeln darüber hinaus Synergieeffekte. Gemeint ist, dass sich einerseits organisierte Neonazis in der Kampfsportszene einbringen und diese als Rekrutierungsfeld nutzen, andererseits eine politische Organisierung von Personen erkennbar ist, die sich hauptsächlich in der rechten Kampfsportszene bewegen. Als anschauliches Beispiel könnte Martin Langner vom Verein „Barbaria Schmölln“ dienen. Er ist zwar seit Jahren als Neonazi bekannt und trat mehrmals auf Events des KdN in den Ring, war sonst aber eher selten als Teilnehmer rechter Aufmärsche zu erkennen. Nun nahm Langner, der in der Vergangenheit auch auf kommerziellen Events wie „We love MMA“ antrat, jüngst am Aufmarsch der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ am 1. Mai 2019 in Plauen teil – ausgestattet mit einem Wahlplakat der Kleinstpartei.

Wir als Kampagne, wie auch lokale Recherchegruppen und Journalist_innen warnen seit Jahren vor diesem Trend, den wir als „Wehrsport 2.0.“ bezeichnen. Jahrelang war es ein kleiner Teil der Zivilgesellschaft, der diese Warnungen ernst nahm und verstand, dass Kampfsport innerhalb der extremen Rechten einzig dem Zwecks dient sich für den „Tag X“ zu rüsten – vernetzt auf einer internationalen Ebene. Dass dies nun auf einmal auch der Verfassungsschutz, wie auch diverse andere staatliche Behörden erkannt haben und darauf auf Pressekonferenzen und in Dossiers eingehen, ist einzig denen zu verdanken, die seit Jahren das Thema in einer breiten Öffentlichkeit zu platzieren versuchen.
Konsequenzen fordern wir jedoch nicht vorrangig von den Behörden, sondern vor allem von den Kampfsportverbänden und Gyms, in denen sich Neonazis ungestört rüsten können. Wir fordern, dass Neonazis und RassistInnen als solche benannt werden und ihnen der Zugang zu Verbänden und Trainingsräumen entzogen wird. Schließlich beginnt eine Förderung von rechten Kampfsportstrukturen genau dort und kann auch nur dort im Ansatz unterbunden werden.